08106 / 306774 info@ortho-coaching.de

Depression, Symptome und Ursachen

Depressionen – Symptome, Ursachen und Verläufe aus Sicht
einer systemischen, mehrgenerationalen Psychotraumatologie

von Prof. Dr. Ruppert, München

Hilfe über Aufstellungen oder medizinischer Hypnose hier bei ORTHO-Coaching – einfach Termin erfragen 08106 / 306 774 !!!

 

 

 

Depressionen aus Sicht einer systemischen Psychotraumatologie

Grundannahmen

Depressionen sind nach meiner Erfahrung die Folgerscheinungen seelischer Vorgänge. Sie sollten daher auf der Basis psychosozialer Konzepte in ihrer Entstehung und in ihrem Verlauf verstanden werden. Die Einsicht in diese Zusammenhänge führt dann auch zu effektiven Möglichkeiten einer psychotherapeutischen und sozialarbeiterischen Hilfestellung für die betroffenen Menschen.

„Systemische Psychotraumatologie“

Ich habe für den von mir entwickelten Ansatz, seelische Prozesse zu verstehen und ihre leiderzeugenden Fixierungen therapeutisch aufzulösen, den Begriff „systemische Psychotraumatologie“ gewählt. Dieses Konzept geht von mehreren Grundannahmen aus:
– Der für das Verstehen von „psychischen Krankheiten“ wesentliche Teilbereich der menschlichen Psyche ist die „seelische Bindung“.
– Die Prozesse der seelischen Bindung werden insbesondere durch Ereignisse in ihrer Entwicklung gehindert, die als Traumatas zu bezeichnen sind.
– Ein Verständnis der Zusammenspiels von Bindung und Trauma macht die Untersuchung von menschlichen Bindungssystemen erforderlich.
– Seelische Traumatisierungen können über drei und vier Generationen wirksam bleiben.
– Die Symptome „psychischer Krankheiten“ sind sinnvoll. Es kommt darauf an, den verborgenen Sinn hinter den oft rätselhaft erscheinenden Symptomen zu entschlüsseln.
– Aufstellungen sind die beste Möglichkeit, den Zusammenhängen von Bindung und Trauma über viele Generationen hinweg auf die Spur zu kommen.
– Aufstellung sind eine effektive therapeutische Methode, diagnostische Anamnesen unmittelbar mit therapeutischen Interventionen zu verknüpfen.

Am Beispiel von „Psychosen“ habe ich dieses Konzept der systemischen Psychotraumatologie in meinem Buch „Verwirrte Seelen“ dargelegt und in den einzelnen Unterpunkten ausführlicher erläutert (Ruppert, 2002). In diesem Buch werden auch Fallbeispiele von depressiven Patienten dargestellt und theoretische Überlegungen zur Entstehung von „Depressionen“ vorgestellt (S. 194 – 202). In diesem Skriptum soll nun der Versuch gemacht werden, meine Einsichten in die Entstehung und den Verlauf depressiver Seelenprozesse weiter zu systematisieren.

Die seelische Bindung

Jeder Mensch braucht den Kontakt und den Austausch zu anderen Menschen für sein Überleben und sein körperliches und seelisches Wohlbefinden. Dies ist eine Grundvoraussetzung menschlicher Existenz. Menschen sind ihrer Natur nach sozia­le Wesen. Für das Herstellen zwischenmenschlicher Beziehungen ist der menschli­che Orga­nismus sehr gut ausgestattet. Das Gehirn zum Beispiel ist eher ein Sozial- als ein Denkorgan. Das Denken wird häufig dem sozialen Zusammenhang untergeordnet.
Ohne bewusstes Zutun werden in uns von Geburt an Bindun­gen zu anderen Menschen aufgebaut. Die Existenz von Bindung zeigt sich am deutlichsten an ihrem Fehlen. Solange wir uns eingebunden fühlen, nehmen wir dies als selbstverständlich hin. Beim Verlust einer Bindung (z.B. ein Partner verlässt uns) aber merken wir schnell, dass uns etwas sehr Wichtiges fehlt.

John Bowlby – Die Aufmerksamkeit auf das Phänomen der Bindung, das Bindungsverhalten von Kindern und das Bindungsangebot auf Seiten ihrer primären Bezugspersonen, also in erster Linie ihrer Mütter, zu lenken, ist das Verdienst des englischen Wissenschaftlers, Psychiaters und Psychotherapeuten John Bowlby (1907 – 1990). Er machte sich zunächst einen Namen durch eine Studie über 44 Diebe, bei der er nachweisen konnte, dass alle in ihrer frühen Kindheit unter einer Form der Mutterentbehrung zu leiden hatten. Er untersuchte dann unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkrieges im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die psychische Gesundheit von obdachlosen Kindern. In dieser Studie verband er auf überzeugende Art und Weise seine Erkenntnisse über das kindliche Bindungsbedürfnis mit den psychischen Auffälligkeiten von Kindern, die keine sichere Bindung zu primären Bezugspersonen eingehen konnten (Holmes, 2002). (siehe auch Kasten 2)

„Fremde Situation“.- Eine Mitarbeiterin von Bowlby, Mary Ainsworth hat sich vor allem durch ihr Experiment „Die fremde Sitauation“ einen Namen innerhalb der Bindungsforschung gemacht. Dieses klassische Experiment untersucht die Art und Qualität des Bindungsverhaltens („attachment behaviour“) eines Kindes. Es hat folgendes Design:

1. Eine Mutter kommt mit ihrem Kind in einen Experimentalraum. Dort gibt es interessantes Spielzeug für das Kind. Die Mutter animiert das Kind zum Spielen und setzt sich auf einen Stuhl in der Ecke des Raumes.

2. Eine dem Kind fremde Person kommt dazu, setzt sich für eine Minute auf einen Stuhl in einer anderen Ecke des Raumes und nimmt dann für eine Minute Kontakt auf mit der Mutter und unterhält sich mit ihr.

3. Die fremde Person spielt dann eine Minute lang mit dem Kind.

4. Jetzt erhebt sich die Mutter von ihrem Stuhle und verlässt den Raum.

5. Je nach den Reaktionen des Kindes, tröstet die fremde Person das Kind und versucht es wieder zum Spielen anzuregen.

6. Die Mutter kommt nach drei Minuten zurück, die fremde Person geht unauffällig. Die Mutter steht dem Kind wieder zur Verfügung.

7. Die Mutter verlässt erneut den Raum und die fremde Person kommt zurück.

8. Die Mutter kommt zurück und die fremde Person geht.

9. Die Mutter geht und kommt nach 20 sek. Zurück.

In diesem Experiment gibt es als unabhängige Variablen:
– An- und Abwesenheit der Mutter,
– An- und Abwesenheit der fremden Person.

Als abhängige Variablen werden auf Seiten des Kindes untersucht:
sein Spiel- und Explorationsverhalten,
seine Reaktionen auf die Trennung von seiner Mutter,
seine Reaktionen auf das Trösten und Ablenken durch die fremde Person,
seine Reaktionen beim Zurückkommen der Mutter,
die nonverbalen Stresssymptome des Kindes

Emotionale Bindung, Bindungsbedürfnis und Bindungsverhalten
Die Existenz und Qualität des menschlichen Bindungssystems und die emotionalen Folgen von Bindungsverlu­sten hat vor allem John Bowlby (1973, 1980) umfassend er­forscht und beschrieben. Seine bereits in den 50iger Jahren des letzten Jahrhunderts veröffentlichten Forschungen finden heute zunehmend Anerkennung in der Psychologie und Psychotherapie (Brisch, Grossmann, Grossmann und Köhler, 2002).
Wie Spitz und Wolf (1946) zeigten, verkümmern Neugeborene und sterben sogar ohne ausreichenden Kontakt zu einer Bezugsperson trotz ausreichender Versor­gung mit Nahrungsmitteln und Körperpflege (Stichworte “Hospita­lismus”). In den Experimenten von Harlow und Zimmermann (1958) zeigte sich, dass Affenbabies zur wärmenden Plüsch- statt zur milchspen­denden Draht”mutter” viel häufiger Kontakt suchten. Triebtheoretisch interpre­tiert: das Kontaktbedürfnis ist folglich stärker als der Nahrungstrieb oder lerntheoretisch gedeutet: soziale Zuwendung wirkt stärker belohnend als Nahrung; Nähe und Körperkontakt stel­len einen “primären Verstärker” dar.
Bindung ist demnach ein von Geburt an sich aufbauen­der Prozess zwischen zwei Menschen (in erster Linie Mutter und Kind), der auf verschie­denen Ebe­nen stattfindet: Konditionierung von Geruchs- und Hautsinnesreizen (“Körperchemie”), von akustischen Qualitä­ten der Stimmen, von visuellen Mustern (zunächst reflektorisches Reagieren auf Gesichter, dann Erkennen des typischen Gesichts des primären Bindungspartners; vgl. das kindliche „Fremdeln“ im 7. bis 8. Lebensmonat), schließlich Interaktion durch eine spezifische verbale Kommunikation zwischen den Bindungspartnern.
Wesentlich am Bindungsgeschehen erscheint mir ihre emotionale Komponente. Emotionale Bindung ist ein Vorgang, durch den zwei oder mehr Menschen durch Gefühle – v.a. Liebe und Angst – von einander abhängig werden und in der Folge emotional aufeinander reagieren. Was der eine Mensch fühlt, wird auch für den anderen bedeutsam. Dieser emotionale Prozess beeinflusst in hohem Maße die körperlichen Vorgänge, gedanklichen Abläufe und auch die erinnerten Erlebnisse der beteiligten Personen.
Bindungsverhalten ist ein Verhalten, das die Abhängigkeit zwischen zwei oder mehr Menschen fördert und aufrechterhält. Es wird insbesondere aktiviert, wenn der Zusammenhalt bedroht ist oder eine Trennung sich ankündigt. Bei kleinen Kindern führen Sichtnähe, Körperkontakt oder besänftigende Worte zu einer Beruhigung des Angstgefühls, das durch eine Trennung hervorgerufen wird.
Die Fähigkeit, bindungsrelevante Informationen aufzunehmen und an andere zu senden, beruht möglicherweise auf einem eigenen, bislang noch nicht identifizierten Bindungssinn.

Wie Untersuchungen zum Bindungsverhalten von 1-2jährigen Kleinkindern zeigen (vgl. Kasten 3) gibt es unterschiedliche Qualitäten des Bindungsverhaltens bei einem Kind. Es gibt sicher gebundene Kinder, aber auch Kinder, die bereits in diesem frühen Abschnitt ihres Lebens deutliche Zeichen von Unsicherheit und Stress zeigen und als unsicher gebunden bezeichnet werden. Ihre Bindungsunsicherheit zu ihrer Mutter führt später auch zu Störungen in ihrem Sozi­alverhalten und alters­bezogen zu Rückständen in ihrer kognitiven Entwicklung. Während sicher gebundene Kinder offen auf ihre Umwelt zugehen und sie erkunden, sind unsicher gebundene Kinder ängstlich. Eine unsichere Bindung zur Mutter führt eher dazu, dass sich das Kind nur schwer aus dieser primären Bezie­hung lösen und neue und “reifere” Beziehungen eingehen kann. Es fällt ihm schwer, seine Autonomie zu entwickeln.

Arten von Bindungen im Kleinkindalter
Ainsworth (1973) unterscheidet 3 Bindungsarten, anhand des Verhaltens der Kin­der, wenn eine Bezugsperson das Kind alleine im Raum zurücklässt und nach kur­zer Trennung wiederkommt:
– Kinder mit sicherer Bindung: suchen und wahren die Nähe zur Mutter bei oder nach Belastungen, z.B. bei ihrer Wiederkehr; zeigen Kummer bei Alleingelassen­werden deutlich bezogen auf das Vermissen der Mutter; Fremde können sie dann nicht trösten; Begrüßen mehr als nur beiläufig; sie suchen innigen Körperkontakt und Trost und wehren sich gegen ein zu frühes Absetzen vom Arm der Mutter.
– Kinder mit ambivalent-unsicherer Bindung: suchen und halten Kontakt mit der Mutter, wider­streben aber Kontakt- und In­teraktionsversuchen der Mutter; sind eher wütend bis passiv, wenn sie mit Fremden alleine gelassen werden.
– Kinder mit unsicher-vermeidender Bindung: diese vermeiden bei der Rückkehr der Mutter auffallend deren Nähe und die Interaktion in den Wiedervereini­gungsepisoden (Wegwenden, Blickabwenden, Vorbeibewegen); bei Aufnehmen kaum Klammern, sie wiedersetzen sich dem Absetzen nicht, zeigen keinen aktiven Widerstand gegen Kontakt; alleingelassen zeigen sie kaum Kummer, eher Unmut über das Al­leinsein; Mutter und Fremde werden fast gleichbehandelt.
– In der Literatur zur Erforschung von Bindungen wird mittlerweile auch eine vierte Kategorie von Bindungsmodus thematisiert: die chaotische Bindung. In solchen Fällen erleidet das Kind entweder traumatische Verluste oder wird von seinen Eltern traumatisiert (z.B. durch körperliche Gewalt oder sexuellen Missbrauch) (Brisch, 1999, S. 53)
– Im Zeitraum von 6-12 Monaten sind diese Zuordnungen zu den sog. Bindungsqualitäten sehr stabil. Auch bei 2-4 Jährigen trifft diese Klassi­fikation zu, sie weinen jedoch weniger, suchen weni­ger Kontakt durch körperliche Nähe als durch Sprache.
– Bindungssichere Kinder zeigen positivere Entwicklung im kognitiven Bereich und im Sozialverhalten (z.B. mehr Hilfsbereitschaft); bindungsambivalente Kin­der zeigen eine verlangsamte kognitive Entwicklung, bin­dungsunsichere zeigen eher Störungen im Sozialverhalten.
– Komplementär zum Bindungsverhalten entwickelt sich das Erkundungsverhal­ten, das bindungssichere Kind wagt sich weiter weg von der Bindungsperson zur Erkundung von Gegenständen und anderen Personen.
– Bei Kindern, die während des 2.Lebensjahres von sicherer zu unsicherer Bindung wechsel­ten, konnten familiäre Bela­stungen ausgemacht werden.
– Eine Berufstätigkeit der Mutter beeinflusst die Qualität der Bindung nicht.
– Auch Kinder in Fremdpflege (halbtags, Kibbuz) bilden Bindungsbeziehungen pri­mär zu ihrer Mutter aus. Bei Kin­dern in Gruppenpflege fanden sich jedoch mehr ambivalent-unsichere Kinder als in der Familienpflege.
– Diese Kategorisierung lässt sich auch auf Vater-Kind-Bindung anwenden, Kinder können aber unterschiedliche Bindungsqualitäten zu ihren Müttern und Vätern entwickeln.
– Längere Trennungen von der Mutter werden von Kindern unter einem Jahr wesentlich dramatischer erlebt als von zweijährigen Kindern.

Bindungsmodus und Persönlichkeit

Menschen, die in ihrer Kindheit in den Genuss einer sicheren Bindung an mindestens einen Elternteil gekommen sind, haben ein ausreichendes Selbstwertgefühl, um sich mit sich, anderen Menschen und ihrer Umwelt „im Hier und Jetzt“ differenziert auseinander zu setzen. Sie können auch in belastenden Beziehungssituationen relativ ruhig und sachlich bleiben.
Menschen mit einer ambivalent-unsicheren Bindung sind in ihren Lebenszielen oft schwankend. Sie haben gelernt, auch alleine mit sich zurecht zu kommen, sie suchen aber auch genauso gerne Nähe und Kontakt. Weil sie den Beweis brauchen, dass sie wirklich gemocht werden, suchen sie eine sehr intensive Nähe herzustellen, die anderen leicht zuviel werden kann. Im Kontakt mit anderen geraten sie leicht in negative Gefühle, wenn sie sich nicht ganz angenommen fühlen. Sie reagieren daher schnell mit Rückzug oder geraten leicht in Wut und Empörung, wenn sie sich ablehnt fühlen. Sie wirken daher zuweilen unzuverlässig oder belasten ihre Beziehungen mit zuviel Nähe oder Distanz.
Menschen mit einer unsicheren Bindung zu ihren Eltern, sind sehr auf Beziehungen hin orientiert. Sie beobachten sich selbst sehr intensiv, ob sie liebenswert sind. Sie entdecken viele Mängel an sich selbst und sind auch sehr kritisch anderen gegenüber oder idealisieren diese unangemessen. Sie haben das Gefühl, dass andere für sie unerreichbar sind und geben sich selbst die Schuld dafür. Sie zeigen alle die typischen Symptome einer depressiven Persönlichkeitsstruktur (siehe Kapitel 4.6).
Menschen mit einer chaotischen Bindungserfahrung in ihrer Kindheit sind im Grunde unfähig, sich selbst und andere richtig einzuschätzen. Sie bekommen nicht richtig gespiegelt, wer sie sind und warum sie gemocht oder abgelehnt werden. Sie können nicht erkennen, was für Menschen ihre Eltern sind und was diese wollen. Sie suchen nach etwas, was berechenbar und vorhersehbar ist. Deshalb fühlen sie sich z.B. in der Natur relativ wohl. Im zwischenmenschlichen Kontakt, vor allem wenn er enger wird, geraten sie meist in ein Gefühlschaos zwischen übermäßiger Freude über die Zuwendung und panischen Ängsten vor Trennungen, Zurückweisungen und Bestrafungen. Sie sind selbst in ihren Verhaltensweisen für andere schwer einschätzbar.

„Feinfühligkeit“

Der komplementäre Begriff zum Bindungsbedürfnis eines Kindes ist die Bindungsfähigkeit auf Seiten der Eltern. In der Bindungsforschung wird die Fähigkeit von Eltern und insbesondere von Müttern, eine sichere Bindung zum Kind herzustellen, als „Feinfühligkeit“ bezeichnet. Demnach ist eine feinfühlige Mutter nach Mary Ainsworth in der Lage,
– die kindlichen Signale mit großer Aufmerksamkeit und ohne Verzögerung wahrzunehmen,
– die Signale aus der Perspektive des Säuglings richtig zu deuten (z.B. bedeutet Weinen Hunger, Unwohlsein, Schmerzen oder Langeweile?),
– angemessen auf die kindlichen Signale zu reagieren und zwar
– innerhalb einer für das Kind tolerablen Frustrationszeit.

Eine mangelnde und nur wenig entwickelte Feinfühligkeit zeige sich darin, dass eine Mutter beim Kontakt mit dem Kind zu sehr mit ihren eigenen Bedürfnissen und Befindlichkeiten beschäftigt sei und ihre eigenen Bedürfnisse in das Kind hinein projiziere. Dass sie also das Kind zu wenig oder zu viel stimuliere, es zu wenig oder zuviel füttere, es zu lange festhalte oder alleine lasse. Man nimmt an, dass diese Feinfühligkeit von Müttern trainiert und dadurch verbessert werden kann (Brisch, 1999, S. 41 ff.).

Seelische Bindung entsteht und geschieht willensunabhängig.- Meiner Ansicht nach leistet die Natur in hohem Maße Vorsorge dafür, dass eine seelische Bindung zwischen Mutter und Kind zustande kommt und zwar unbewusst, auch wenn Erfahrung und Lernen diesen Prozess positiv unterstützen können. Beim zweiten Kind ist eine Mutter meist noch besser in der Lage zu verstehen, was das Kind ihr signalisiert.
Dennoch ist nach meiner durch therapeutische Erfahrungen gestützten Vermutung der seelische Bindungsvorgang in weiten Teilen vom bewussten Willen der beteiligten Personen unabhängig. Eine Mutter sucht instinktiv den emotionalen Kontakt zum Kind und das Kind sucht instinktiv den emotionalen Kontakt zu seiner Mutter.

Strom von Gefühlen.- Mutter und Kind leben dadurch in einem kontinuierlichen emotionalen Austauschprozess. Ein Strom von Gefühlen fließt zwischen beiden hin und her, wobei die Gefühle der Mutter sicher stärker und damit tonangebender sind. Sie bilden für das Kind die Grundlage seiner eigenen Gefühlswelt (Abbildung 1).

Trauma und Bindungsunfähigkeit

Eine emotionale Bindung entsteht und entwickelt sich, wenn sie nicht durch massive Eingriffe von außen (z.B. Adoption) und/oder traumatische Ereignisse gestört und zerstört wird. Wenn eine Mutter traumatische Erfahrungen gemacht hat, so steht es in der Regel nicht in ihrer Macht, ihre Bindungsfähigkeit bewusst zu regulieren. Bei jedem Kontakt mit dem Kind, bei dem in ihr Gefühle aktiviert werden, kann es dazu kommen, dass sie diese Gefühle unterdrücken muss, um nicht wieder in einen Traumazustand zu geraten. Sie kann das Kind dann zwar körperlich bestens versorgen, ihm ihre Gefühle aber nicht zur Verfügung stellen. Wenn sie sich aufgrund ihrer Traumaerfahrung selbst emotional nicht mehr richtig spüren kann, so kann sie auch die Bedürfnisse des Kindes nicht mehr vollständig und richtig erfassen. Statt gefühlsmäßig und intuitiv zu handeln, bemuttert sie das Kind „vom Kopf her“. Sie deutet sein Verhalten statt es „instinktiv“ zu verstehen.

Depressionen als Folge von traumatischen Bindungsverlusten

Bezogen auf die Frage nach dem Ursprung von Depressionen, die in einem späteren Lebensalter plötzlich ohne äußeren Anlass auftreten können, lautet die aus der Bindungstheorie und –forschung abgeleitete These: Depressivität findet ihren Anfang darin, dass ein Kind in einer frühen Entwicklungsphase keine Bindungssicherheit erlebt, zwi­schen Anklammern und Loslassen hin und her schwankt und eine altersgemäße Lösung aus der Bindung an die Mutter nicht gelingt, weil diese primäre Bindung nicht zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen ist.

Trennungstraumen

Der Bindungsprozess in der frühkindlichen Entwicklung wird dramatisch gestört, wenn die Mutter für das Kind verloren geht. Dies ist insbesondere der Fall durch
– den Tod der Mutter,
– die Weggabe des Kindes zur Adoption,
– eine Trennung von Mutter und Kind durch lange körperliche oder seelische Krankheiten der Mutter (z.B. Psychiatrieaufenthalte der Mutter),
– eine gewaltsame Trennung von Mutter und Kind in Kriegssituationen,
– eine Trennung des Kindes von seiner Mutter durch eine Heimeinweisung (z.B. weil die Mutter alkoholabhängig ist).

Selbst unmittelbar nach der Geburt zur Adoption freigegebene Kinder erleben das Trauma der Trennung, das einen Bruch der seelischen Bindung an die Mutter darstellt, dem das Kind machtlos ausgeliefert ist (vgl. dazu meine Skriptum zur Adoption). Es kann nichts dagegen tun.
Für Kinder bis zu zwei Jahren können sogar kürzere Phasen der sog. Mutterentbehrung eine traumatische Qualität bekommen (z.B. bei einem Krankenhausaufenthalt der Mutter). Es gibt sogar Hinweise darauf, dass eine sofortige Trennung des Kindes von der Mutter unmittelbar nach der Geburt für das Kind einen Schockzustand darstellen, der in seinem seelischen Gedächtnis gespeichert wird.

Emotionale Folgen eines Bindungsverlustes.- Es kommt nach einer Trennung eines Kindes von seiner Mutter zu einem emotionalen Prozess, bei dem das alleine gelassene Kind verschiedene Stadien durchläuft. Diese wurden von John Bowlby (1980) erstmals wissenschaftlich beschrieben.

Angst und Panik

Das primäre Gefühle nach einer Trennung und dem Verlust seiner Bindung an die Mutter ist für das Kind Angst. Deshalb weint und schreit es in der Hoffnung, die Mutter durch dieses Schreien und Weinen wiederzubekommen. Es ist eine abgrundtiefe Angst, die einer Todesangst gleichkommt. Denkt man daran, dass in der Natur Jungtiere ohne den Schutz ihrer Mutter dem Untergang geweiht sind, wird verständlich, dass dieses Gefühl der Angst in einem ursprünglichen Gefühl der Existenzbedrohung wurzelt.
– Zorn und Wut: Die zweite Reaktion des Kindes auf eine Trennung ist der Protest gegen das Alleingelassenwerden. Zorn und Wut verleihen seiner Forderung nach dem Wiederkommen seiner Mutter den entsprechenden Nachdruck. Bei einem Trennungstrauma ist dieser Protest aber vergeblich und läuft sich nach einer gewissen Zeit tot.
– Verzweiflung und Apathie: In der dritten Phase ist das Kind von seinen Anstrengungen erschöpft, den Kontakt zu seiner Mutter wieder zu bekommen. Es jammert und wimmert nur noch leise, bis es sich schließlich in sich zurückzieht, um seinen Schmerz über die Trennung nicht mehr zu spüren. Es reagiert immer weniger auf seine Umwelt. In dieser Situation ist sogar die Gefahr, dass sein Lebenswillen erlischt groß. Das Kind befindet sich in einem Zustand höchster Depressivität.
Somatsierung

Nach meinen Beobachtungen folgt auf die Stufe der emotionalen Verzweiflung und der Ohnmacht meist eine Verschiebung des seelischen Schmerzes ins Körperliche. Der seelische Schmerz wird gleichsam in den Körper weggedrückt. Das hat den Vorteil, dass er nicht mehr gespürt wird, aber zugleich den Nachteil, dass er sich als körperliche Verspannung, Verkrampfung und auf Dauer auch als chronische Erkrankung ausdrückt (z.B. Beklemmung in der Brust, Kopfschmerz) und dem bewussten Erleben nicht mehr zugänglich ist. Der betreffende Mensch sucht dann Hilfe beim Arzt, der ihm aber durch seine Behandlungsmaßnahmen die Verspannung nicht nehmen und höchstens kurzfristig lindern kann.

Früher Verlust eines Elternteiles

Zu diesen Reaktionen kommt es auch, wenn ein Kind seine Eltern bis etwa zum 20. Lebensjahr verliert. Je älter das Kind allerdings ist, desto schwieriger ist es für das Kind, seinen Kummer offen zum Ausdruck zu bringen. Die Phase des offenen Weinens und Klagens fällt oft weg, besonders dann, wenn das Kind den Tod des Elternteiles nicht richtig begreifen kann (z.B. weil der Vater im Krieg gefallen ist). Zum Teil wird auch vom Kind erwartet, dass es die Fassung bewahrt, z.T. versucht das Kind selbst, sich vor den seelischen Schmerzen zu schützen, in dem es seine Trauergefühlen wegdrückt. Auch mit Rücksicht auf den anderen Elternteil, der ja auch durch den Tod des Partners leidet, zeigt das Kind nach außen hin nur wenig von seinen seelischen Schmerzen.
Auf diese Weise bleibt das Trauma des Verlustes aber stecken und wesentliche Teile der kindlichen Seele werden abgespalten. Es kann zur Entstehung einer Traumainnenperson kommen (vgl. Ruppert, 2002, S. 151 ff.). Eine Patientin schilderte mir die Reaktion auf den plötzlichen Tod ihres Vaters als sie acht Jahre alt war, wie folgt: „Mein Vater hat mir die Natur gezeigt und ich hatte viel Freude mit ihm. An die vier Jahre nach seinem Tod kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß auch nicht, ob und wie sehr ich getrauert habe. Ich glaube, ich habe mir dann eine Ritterrüstung angezogen, um mich davor zu schützen, dass ich nicht an diese schlimmen Gefühle denken muss. Ich meine, sonst muss ich auch sterben.“
Um den Kontakt mit den Traumagefühlen zu vermeiden, werden alle Gefühle auf Sparflamme gesetzt, die positiven wie die negativen. Anstelle der Gefühle tritt dann ein kontrollierender Verstand, der Prinzipien aufstellt, um unbeschadet durch das Leben zu kommen. Das Leben wird damit aber zur Anstrengung und Last. Ihm fehlt die Lust. Der Verlust eines Elternteiles wird zum Ver-Lust im Leben.

Depression auf Seiten der Mutter

Auch Mütter, die ein Kind verlieren, sei es durch eine Fehlgeburt, durch eine Abtreibung, durch Unfall, Krankheit oder weil sie selbst nicht in der Lage sind, das Kind groß zu ziehen, geraten durch den Bindungsverlust in einen Zustand der Depressivität. Die bedeutet, dass sie nicht nur ihre Gefühle in Bezug auf dieses Kind in sich zurückziehen müssen. Sie haben dann auch allgemein Schwierigkeiten, ihren Gefühlen wieder freien Lauf zu lassen. Gefühle berühren stets auch das Trennungstrauma.

Bindungsunfähigkeit in Folge eines Traumas

Angst vor Traumagefühlen

Menschen, die ein Trauma erleiden mussten, können dies oft nur bewältigen, wenn sie emotional weniger ansprechbar sind. D.h. sie reduzieren ihr emotionales Empfinden, um nicht wieder von den schmerzvollen Gefühlen der Traumasituation überschwemmt zu werden, von Panik, Hilflosigkeit und Verzweiflung. Sie entwickeln eine Scheu vor Gefühlen und unterdrücken ihren Ausdruck. Dieser seelische Selbstschutzmechanismus ist für sich genommen ein depressiver Prozess.
Diese emotionale Zurückhaltung bzw. dieses in großen Teilen Abgeschnittensein von den eigenen Gefühlen wirkt sich insbesondere in zwischenmenschlichen Beziehung als hinderlich aus. Es können zwar Beziehung mit anderen Menschen gestaltet werden, emotionale Bindung kommen auf diesem Wege aber nur schwer zustande. Dies würde bedeuten, dass sich der Mensch mit seiner Traumaerfahrung wieder öffnet. Dadurch läuft er aber Gefahr, wieder in seine Traumagefühle zu kommen. Meist zieht er sich daher emotional schnell wieder zurück.
Diese Bindungsunfähigkeit hat sowohl für die Mutter-Kind-Bindung wie für die Mann-Frau-Bindung erhebliche Konsequenzen.

Mütter im emotionalen Rückzug

Mütter, die selbst Traumaerlebnisse erlitten haben (z.B. weil einer ihrer Eltern früh gestorben ist oder weil sie als Kind sexuell missbraucht wurden), haben erhebliche Schwierigkeiten, eine emotionale Bindung an ihr Kind zuzulassen. Sie sind oft äußerlich sehr besorgt um ihr Kind, pflegen und versorgen es gut, können aber den emotionalen Kontakt nur schwer ertragen. Oft wehren sie durch ihre äußere Geschäftigkeit die Möglichkeit ab, zur Ruhe und damit wieder näher an ihre Gefühle zu kommen.
Für das Kind wird de Versuch, sich emotional an die Mutter zu binden, zu einer erheblichen Anstrengung. Die Suche nach Gefühlen bei seiner Mutter wird zu einem seelischen Kraftakt. Dort, wo normalerweise die mütterlichen Gefühle zu finden sind, herrscht Leere.
In Aufstellungen zeigt sich dieser abwehrende Prozess seitens der Mutter oft so: Das Kind will auf seine Mutter zugehen, je näher es dieser aber kommt, desto mehr verschließt diese ihre Augen und weicht aus.
Dringt das Kind tiefer in diese Leere der mütterlichen Seele ein, droht es einerseits selbst von den abgespaltenen Traumagefühlen der Mutter überschwemmt zu werden. Andererseits findet es dort aber auch die gesuchten positiven Gefühle, welche die Mutter z.B. zu ihrer eigenen früh verstorbenen Mutter hatte. Auf diesem Weg findet ein unbewusster Identifikationsversuch des Kindes z.B. mit einem früh verstorbenen Großelternteil statt.

Zuflucht beim Vater

Ein Kind, das die Seele seiner Mutter nicht erreicht, nimmt meist Zuflucht bei der Seele seines Vaters, wenn diese erreichbar ist. Wurde der Vater von Traumaerfahrungen in seinem Leben verschont, kann dies für das Kind ein wesentlicher Rettungsanker gegen die Entwicklung einer Depression werden. Da aber häufig sich Paare aufgrund ähnlicher Traumaschicksale sich finden, läuft das Kind auch beim Vater Gefahr, an seiner Seele abzugleiten und keine emotionalen Halt zu finden. Ebenso besteht das Risiko, dass es sich in den Traumaprozess des Vaters hineinverstrickt und es beim ihm zu Identifikationsversuchen mit dessen abgespaltenen Gefühlen kommt.
Jüngere Kinder haben oft noch die Chance, bei ihren älteren Geschwistern einen seelischen Halt zu bekommen. Aber auch dies ist unter dem Vorzeichen, dass ja auch die älteren Geschwister unter der emotionalen Zurückgezogenheit ihrer Eltern leiden, keine Garantie für einen tragfähigen seelischen Rückhalt.

Verstrickungen eines Kindes mit seinen Eltern

Identifikation des Kindes mit früheren Partnern der Eltern.- Ein in Familienaufstellungen häufiger zu erkennender Vorgang ist die Identifizierung des ältesten Kindes mit einem früheren Partner der Mutter oder des Vaters. D.h. einer der Eltern, manchmal auch beide, haben sich noch nicht aus einer früher bestehenden Bindung an einen anderen Mann bzw. an eine andere Frau gelöst. Der Verlust des Partners kann durch eine Trennung (z.B. Auflösung einer Verlobung) oder auch durch Tod (z.B. bei einem Verkehrsunfall) geschehen sein.
Das Thema frühere Partner und eine fortbestehende, nicht aufgelöste emotionale Bindungen an diese Expartner ist in ehelichen Beziehungen in der Regel hoch tabuisiert. Der als schmerzlich und oft auch als traumatisch erlebte Verlust des früheren Partners wird seelisch abgespalten, verdrängt und die damit verbundenen Gefühle führen daher ein unkontrolliertes Eigenleben.
Das erste Kind repräsentiert dann diese alte Liebe, weil in dieser Bindung die größte Gefühlsintensität für es zu finden ist. Es entwickelt sich in einer zu großen seelischen Nähe zum identifizierenden Elternteil und in einer zu großen Distanz zum anderen. Es kann nicht als Kind an seinem Platz sein. Es erspürt unbewusst den Auftrag, den als trauernd erlebten Vater oder die Mutter zu trösten und über Gebühr mit Liebe zu versorgen, ihn bzw. sie für die nichtgelebte alte Liebe zu entschädigen. Solche Kinder denken sich tief in die unerfüllten Sehnsüchte und Bedürfnisse ihres Vaters oder ihrer Mutter hinein und versuchen ihn bzw. sie glücklich zu machen. Sie spüren auch, dass ihre Eltern nicht zusammenkommen und nebeneinander her leben. Das macht sie zusätzlich sehr unglücklich.
Daraus entstehen Muttersöhne oder Vatertöchter, die sich auch als Erwachsene seelisch kaum von ihrem jeweiligen “Partner”, d.h. ihrer Mutter oder ihrem Vater, lösen können. Sie fühlen sich in dieser Bindung wie gefangen. Und weil sie sich nicht lösen können, entwickeln sie allmählich auch Wut und Hass auf ihre Mutter oder ihren Vater.
“Meine Aufgabe als Sohn war es, meine Mutter zu retten. Sie hatte mir das aufgebürdet. Wir beide waren in die Falle geraten, aus der sie uns nicht befreien konnte. Dabei war sie noch die Einzige. Die Frau, der ich mein Leben verdanke, auf die ich total angewiesen war. Die erste in meinem Leben. Ich werde offen über meine Mutter sprechen. Ich will sie nicht anklagen. Mir wird heute manchmal schwindlig, wenn ich mir ihre Not vorstelle, ihre Schmerzen, ihre grenzenlose Einsamkeit, ihren qualvollen Tod. Diese Vorstellungen bedrängen und beunruhigen mich. Dann denke ich, wie selten sie glücklich war. … Ihrer Distanzlosigkeit wegen war ich meist zu dicht an meiner Mutter dran. Ich versteife mich nicht, wie Hesse, darauf, dass meine Mutter mich von allen am besten verstanden hat. … Dazu sehe ich ihre erbärmliche Abhängigkeit von meinem Vater, ihre melancholische Lebensbewältigung und ihre permanente Feindseligkeitserwartung zu deutlich. Darin, dass sie mich von allen am meisten verwöhnt hat, liegt wenig Güte.” (Wieck, 1992, S. 16)
Das Kind, das seelisch zu sehr mit einem gegengeschlechtlichen Elternteil verwoben ist, kann weder richtig Kind noch Partner sein. Es ist in seiner Geschlechtlichkeit früh herausgefordert und muss sie zugleich leugnen. Der Junge entwickelt dadurch eher feminine, das Mädchen eher maskuline innere Haltungen. Die Chance durch die Anlehnung an den gleichgeschlechtlichen Elternteil die eigene Geschlechtsrolle zu festigen, kann nicht genutzt werden. Der gleichgeschlechtliche Elternteil wird im Gegenteil sogar massiv abgewertet. Mit früheren Partnern der Eltern identifizierte Kinder sind offen oder verdeckt anklagend und anmaßend: “Mein Vater war kein Patriarch und dennoch ein für die patriarchalische Kultur typischer Mann, ein kraftloser Geselle, der auch mit uns Kindern nicht fürsorglich umging. Mit meiner Schwester war er wohl geduldiger, während ich seiner Zuneigung nie sicher war. Er lernte nichts hinzu, was über seine technisch-kulturlose Ingenieurwelt hinausging. In dieser nüchter­nen Büroatmosphäre wurde nicht gesprochen, weil Dinge und Maschinen die eigentlichen Partner waren. … Klar, dass die unemanzipierte Frau eines derart reduzierten Mannes in vieler Hinsicht unbefriedigt war.” (Wieck, 1992, S. 23)
Der kleine Junge phantasiert sich selbst in die Rolle des eigentlich besseren Mannes seiner Mutter hinein, der besser als der Vater weiß, wodurch die Mutter befriedigt werden kann. Das Mitgefühl mit der Mutter wird zwar als tiefe Liebe gefühlt, muss sich aber vor sexuellen Wünschen und Phantasien in acht nehmen. Liebe wird daher als “reiner” Zustand phantasiert, als eine Art Symbiose und innige Verschmelzung ohne sich körperlich als Mann und Frau nahe zu kommen.

Identifizierung eines Kindes

Bei der “Identifikation” wird die psychische Aktivität des Kindes betont. Es versucht eine seelische Bindung zu seinen Eltern aufzubauen, indem es seelisch gleichsam die Stelle desjenigen einnimmt, zu dem der Vater oder die Mutter positive und warme Gefühle zulassen kann.
Demgegenüber bringt der Begriff “Identifizierung” zum Ausdruck, dass das Kind eher das empfangende Medium eines psychischen Prozesses in einem Familien­system ist und die Eltern unbewusst eine andere Person in es hinein projizieren. Hellinger (1994) beschreibt diesen Vorgang beispielhaft wie folgt: “Seine Mutter suchte unbewusst jemanden, der ihren Bruder, den sie in ihrem Ursprungssystem aufgegeben hatte, für sie im Gegenwartssystem repräsentierte. Daher übernahm der älteste Sohn für sie die Rolle des Bru­ders, aber ohne dass es er oder seine Mutter oder sonst jemand merkte.” (S. 40)
Die Hauptquellen für unbewusste Identifikations- und Identifizierungsprozesse sind früh verstorbene Eltern oder Geschwister der Eltern und frühere Partner eines Elternteiles, zu denen dieser eine intensive emotionale Bindung hatte.

Parentifizierung.

Unter Parentifizierung versteht man den unbewussten psychischen Prozess, dass Kinder für ihre Eltern die Elternrolle einnehmen. Richter (1991) hat dafür den Begriff “das Kind als Substitut für eine Elternfigur” gewählt: “Es ist demnach eine geläufige Erfahrung in der kinderpsychiatrischen Praxis, dass Mutter oder Vater auf das Kind Erwartungen und Gefühle richten, mit denen sie eigentlich ihre Eltern “meinen”, weil sie aus ihrem inne­ren Konfliktdruck heraus nicht darauf verzichten können, für ihre aus der eigenen Kindheit her unbewältigten Liebesansprüche oder Aggressionen einen geeigneten Ersatzpartner zu finden. Es treibt sie unbewusst dazu, an dem Kind die Züge des eigentlichen Konfliktpartners (nämlich eines der Großeltern) wiederzuentdecken.” (S. 90)
Diese Parentifizierung findet vor allem dann statt, wenn die Mutter des Kindes entweder ihre eigene Mutter früh verloren hat oder selbst keinen emotionalen Halt an ihrer Mutter gefunden hat. Kurzum, wenn die Mutter sehr starke depressive Züge aufweist. Das Kind spürt die Schwäche und Haltlosigkeit seiner Mutter und versucht sie zu stützen.
Das Kind wird dadurch wie bei der Identifizierung mit einem früheren Partner eines Elternteils in eine völlig unangemessene Rolle gebracht. Es soll erwachsener sein als seine Eltern. Es kann die Wieder­gutmachung im Verhältnis Großeltern-Eltern aber nicht leisten. Der Vater oder die Mutter sind prinzipiell unzufrie­den mit dem Kind (z.B. ‘Ich erwarte immer, dass die Kleine mich mal umarmt. Immer muss ich erst anfangen!”) und leben un­bewusst den alten ungelösten Konflikt mit den eigenen Eltern weiter. So wird das Kind emotional beständig überfordert.

Schuldgefühle

Gelingt es einem Kind nicht, sich gegen eine solche Umklammerung und Überforderung durch seine Eltern abzuschirmen, droht es sich, zwar unter Protest und Fluchtgedanken, aber ohne Aussicht auf einen Ausweg, immer mehr in Schuldgefühle zu verstricken. “Angst vor Nähe hatte ich, weil in Mutters Zuwendung Unfreiheit war, der Zwang zur Treue, das Gesetz, zu anderen Distanz zu halten. Zu dieser Gewalt gehörte das permanente Duell mit Vorwürfen, die zu wechselseitigen Schuldgefühlen und zum Gegenteil von Freilassen führten.” (Wieck, 1992, S. 29)
Das parentifizierte oder mit früheren Partnern identifizierte Kind lernt in diesem Prozess: Ich bin schlecht, weil ich meine Mutter nicht so liebe, wie ich sollte. Alles, was das Gefühl der Liebe zu den Eltern und damit die innige Ver­bindung verletzt, verursacht Kindern Schuldgefühle. Wenn es den Eltern schlecht geht, geht es Kindern ebenfalls schlecht. Doch wegen der Schuldgefühle bedeutet dies noch mehr: Solche überforderten Kinder müssen sich selbst schlecht fühlen, weil es ihnen nicht gut gehen darf, wenn es den Eltern schlecht geht.
Diesen Schuldgefühlen liegt auch ein Gewis­sen zugrunde, das sich meldet, sobald der Ausgleich von Geben und Nehmen nicht gewährlei­stet ist. Für das Kind sind die Eltern primär die Gebenden, es selbst das Empfangende, es muss also etwas für den Ausgleich tun. “Bleibt das Kind wegen seiner eigenen Weichheit, wegen der Intensität der mütterlichen Einwirkung oder in­folge Mangels an anderen erreichbaren Bezugspersonen wehrlos dem unerfüllbaren Rollenanspruch der Mutter ausgeliefert, so können sich, wie bei den drei Kindern unserer Untersuchungsgruppe, depressive Schuldgefühle einstellen: Das Kind entwickelt aus der Erfahrung, die mütterlichen Erwartungen fortgesetzt zu enttäuschen, massive Selbstvorwürfe. Die stehende Redewendung solcher Mütter: ‘Du hast mich nicht lieb, das macht mich ganz unglücklich!’ setzt sich in dem Kind auf dem Wege der Introjektion als drückende Selbstanklage fest.” (Richter, a.a.O., S. 108)
Die Aufgabe der Eltern ist es also, ihre Kinder von diesen Schuldgefühlen zu entlasten, ihnen eine Abgrenzungschance zu geben. Die Individuation wird dem Kind umso eher ermöglicht, je mehr sich die Eltern als Personen mit eigenen Interessen und einer eigenen Intimsphäre gegen­über dem Kind abgrenzen.
So müssen die Eltern ihre Partnerschaftskonflikte unter sich ausmachen und dürfen ihre Kin­der nicht in diese hineinziehen, sie etwa zum Verbündeten gegen den Partner machen oder in eine Schiedsrichterposition bringen. Gelingt ihnen dies durch ihr Verhalten und ihre Erzie­hungsmaßnahmen nicht, treiben sie das Kind immer weiter in Schuldgefühle hinein. Es wird für etwas verantwortlich gemacht – das “Glück” der Eltern als Mann und Frau -, was es gar nicht verantworten kann.

Versagensgefühle

Wie Friedman (1986) vermutet, laufen Kinder aufgrund mehrerer Erziehungs­praktiken und familiärer Interaktionsmuster Gefahr, eine depressive Hal­tung zu entwickeln:
– Liebesentzug, Drohung mit Trennung, Verlassen oder Selbstmord: “Solche Drohungen können eine Disposition zur Depression bei später tatsächli­chen Trennungen oder Verlust schaffen, da das Elternteil dem Kind bei Andro­hung einer Trennungsmöglichkeit vermittelt hatte, “böse” zu sein. Mit einer Trennung ist demnach das Gefühl verbunden, “böse” zu sein.” (a.a.O., S. 254)
– häufige körperliche Bestrafung, die als unverdient und übermäßig erlebt wird und gegen die das Kind nicht rebelliert: “Ohne Rebellion gegen häufig als unfair und unverdient empfundene Bestrafung entwickelt sich möglicherweise eine masochistische Haltung aus Werten und Er­wartungen, von jedem, den der Betreffende liebt, bestraft zu werden. Dies geht oft soweit, Bestrafung sogar als Liebesbeweis zu betrachten. Traurigkeit und Ärger werden unterdrückt, und die Zuneigung wird durch die offensichtlich schlechte Behandlung noch stärker, weil sie als Zeichen von Fürsorge gewertet wird. Solche Menschen können schlechte Behandlung bei ihrem Partner oft ge­schickt provo­zieren, weil das Gefühl intimer Zusammengehörigkeit dadurch bestätigt und der Partner durch Schuldgefühle an die Beziehung gebunden wird. Moralisch gibt es dem masochistischen Partner zusätzlich die Oberhand. Hierin liegt die Grundlage für depressive Entwicklung, da die Einstellung einer Person, nicht viel wert zu sein, durch fortgesetztes Akzeptieren der Bestrafung bestätigt und ver­stärkt wird.” (a.a.O., S. 253 f.)
– Überschätzung der Leistungsfähigkeiten des Kindes: “Wenn eine Familie einem Kind die Erwartung vermittelt, es könne alles errei­chen, was es sich in den Kopf ge­setzt hat, kann dies durch verschärften Lei­stungsdruck zur späteren Depression beitragen.” (a.a.O., S. 262)

Zweifel am Selbstwert

Schuldgefühle und Drohungen mit Liebesentzug stellen nicht ein bestimmtes Verhalten, sondern die ganze Person in Frage. Um einen Menschen von seinen Schuldgefühlen zu entlasten, muss seine gesamte Person neu akzeptiert und angenommen, das Gefühl der Liebe wieder her­gestellt werden. Wird daher ein Kind nicht von seinen Schuldgefühlen entlastet – z.B. durch angemessene Bestrafungen, wenn es Grenzen überschritten hat; indem nur solche Leistungen von ihm erwartet werden, die seinen momentanen Fähigkeiten entspre­chen – so gerät es immer mehr in Zweifel über sich selbst. Es zweifelt dann an seinem Selbstwert: ‘Was ich auch mache, es reicht nie. Ich kann meine Mutter/meinen Vater nicht genug lieben!’ Das Kind glaubt, es den Eltern nie gut genug machen zu können. Ein Kennzeichen von Verstrickungen ist, dass sie zu maßlosen und prinzipiellen Haltungen und Einstellungen führen.

Das Ringen um Anerkennung

Weil kein wirklicher emotionaler Austausch zwischen dem Kind und seinen Eltern zustande kommt, wird das Streben nach einer liebenden Verbindung des Kindes zu den Eltern durch sein Bemühen um deren Anerkennung ersetzt. “Die Leistung selbst ist ihnen nicht genug, was wirklich zählt, ist nur, wie andere darüber denken und darauf reagieren. Depressive können sich nicht selbst be­lohnen, können sich zu ihren eigenen Leistungen nicht beken­nen und darüber freuen und können ihr narzißtisches Gleichgewicht nicht regulieren. Stattdessen brauchen sie noch immer – wie kleine Kinder – die Rückmeldung anderer zur Er­haltung ihres Selbstwertgefühls. Wenn sie die Reaktionen, die sie brauchen, nicht bekommen, wenn z.B. der andere einfach abgelenkt ist, fühlen sie sich per­sönlich abgelehnt und sind völlig zerstört.” (Slipp, 1986, S. 289)
Das Kind versucht, durch eigene Opfer die Liebe der Eltern gleichsam zu erzwingen. Neue nega­tive Gefühle kommen dabei hinzu: Neid und Hass auf jene, die Anerkennung bekommen. Die erhaltene Anerkennung entlastet daher nicht von Schuldgefühlen, sie steigert sie eher noch, weil sie auch häufig durch das Vorspiegeln falscher Tatsachen erschlichen wird. Das schlechte Gewissen über Lü­gen und Heuchelei stellt sich als dauernder Begleiter des Strebens nach Anerkennung ein.
Friedman (a.a.O.) hat diesen Ersatz von familiärer Intimität und Wärme durch das Ringen um Anerkennung der Kinder bei ihren Eltern v.a. in solchen Familien beobachtet, die größten Wert auf ihre soziale Reputation und ihr gesellschaftliches Prestige legten. Dort pochten die Eltern in erster Linie auf konformes Verhalten, auf das, ‘was sich gehört’: “Diese Kinder werden extrem sensibel für Neid und Konkurrenzdenken. Sie spü­ren es bei anderen und reagie­ren verstört, wenn es gegen sie gerichtet ist. Selbstunterschätzung und das Verbergen eigener Fähigkeiten wer­den für sie zu einem unbewussten Schutz vor Neid. Aus dem gleichen Grund und auch, um Aner­kennung zu be­kommen, wollen sie außergewöhnlich hilfsbereit zu Familienmit­gliedern sein (aufdringliche Fürsorglichkeit). Im Gegen­zug erwarten sie unbewusst, von anderen vollkommen akzeptiert und überall bevorzugt zu werden. Wenn diese Hoffnungen enttäuscht werden, werten sie sich selbst ab und der Prozess geht immer so weiter. Die größte Furcht des Depressiven besteht darin, von der Autoritätsperson, deren Anerkennung er so sehr sucht, verlassen zu wer­den.” (a.a.O., S. 256)
Solche Familien, denen die liebende Verbindung zum Erhalt ihrer Gemeinschaft abhanden ge­kommen ist, bzw. in denen die notwendige Paarbindung keine ausreichende Grundlage für El­ternschaft darstellt, haben dann zu tun, die sich notwendig immer stärker einstellenden negati­ven Gefühlsäußerungen zu unterdrücken: “In un­serer Familie kritisieren wir einander nicht!”

Trotz und Wut

Zum Repertoire der Gefühle und Verhaltensweisen, die Depressionen kennzeichnen, gehört der Trotz. Im Trotz zieht sich die Seele des Kindes zurück und verweigert sich dem Kontakt. Durch die trotzige Haltung schädigt sich das Kind aber meist selbst. Es nimmt nichts mehr an: keine Nahrung, kein Kontaktangebot, keine Hilfestellung. Durch seinen Trotz will es signalisieren, dass es ihm schlecht geht und dass dies endlich jemand bemerken soll. Trotz ist Ausdruck von Überforderung und Hilflosigkeit, passiver Widerstand auf eigene Kosten: Jetzt habt ihr es davon, wenn es mir schlecht geht! Das einzige Machtmittel, das ein Kind noch zu haben glaubt, ist die Selbstschädigung und deren Demonstration.
Ebenso sind die Wutgefühle des depressiven Kindes nicht geeignet, seine emotionale Situation zu verbessern. Seine Wutgefühle steigern nur seine Verzweiflung und richten sich am Ende gegen sich selbst: Ich schaffe es nicht. Ich bin dumm, unfähig, ein Versager … .
Kinder laden sich das Leid ihrer Eltern auf ihre Seele. Weil sie allmählich instinktiv spüren, dass Gefühle ihre Eltern in Not bringen, wählen die eigene Depressivität als Anpassungsstrategie, um ihre Eltern nicht mit Gefühlen zu konfrontieren. Sie getrauen sich nicht glücklich und lebendig zu sein, weil das die traumatisierten Eltern in ihren Schmerz stürzt. Sie haben Angst, mit ihrer Wut die Eltern noch unglücklicher zu machen.

Generationsübergreifende Depressivität

Erleidet die Großmutter ein Verlusttrauma (z.B. den frühen Tod ihrer Mutter), wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch deren Tochter in eine depressive seelische Entwicklung mit ihr verstrickt. Hat diese Tochter wiederum eigene Kinder, so werden auch diese auf emotionale Schranken in der Seele ihre Mutter stoßen und dementsprechend ohnmächtig darunter leiden. Das Verlusttrauma zieht seine Spur also durch viele Generationen. Dies bedeutet für das Verständnis von Depressionen auch: die Wurzeln depressiven Erlebens und Verhaltens muss oft weiter zurückverfolgt werden. Dann kommt man vom scheinbar unmotivierten Symptom zu seinem realen Ursprung.

Die Übertragung kindlicher Bindungserfahrungen in Partnerbeziehungen

Das Kindheits-Ich in Partnerschaften

Körperliche, geistige und soziale Entwicklungen können sich bei Menschen mit problematischen Bindungserfahrungen mit ihren Eltern von der seelischen Reifung abkoppeln. Weil die seelische Entwicklung durch Traumatisierungen schwer gestört ist, machen sich diese Defizite in späteren Beziehungserfahrungen ebenfalls als störend bemerkbar. In Beziehungen rutscht der Erwachsene gleichsam in sein kindliches Ich zurück und denkt, fühlt und handelt wie ein Kind. Der Partner wird zur Mutter oder zum Vater, wird einerseits bewundert und idealisiert, andererseits aber immer wieder genauso frustrierend erlebt wie die Eltern. Es wiederholt sich das Muster der alten Verstrickung: der andere ist unerreichbar und man ist im Leid an ihn gebunden.

Immerwährende Suche nach Liebe

Für depressive Menschen spielen ihre Partnerschaften in der Regel eine sehr wichtige Rolle (vgl. das Fallbeispiel Anne). Sie erscheinen als Menschen, denen nichts wichtiger ist, als “wahre” Liebe: “Liebe, Liebenwollen- und Geliebtwerdenwollen ist dem depressiven Menschen das Wichtigste im Leben.” (Riemann, 1992, S. 66)
Was jedoch auffällt: Sie werden weder mit noch ohne einen Partner “richtig glücklich”. Sie quälen sich in ihren Beziehungen, sie versinken nach Trennungen ins scheinbar Uferlose. Ihre Liebe erscheint ihnen nie genug, sondern führt sie nur in Verstrickungen. Ihre Erfahrungen der Enttäu­schungen in Partnerschaften führt sie aber nicht zu einer Aufhebung von Täuschun­gen, sondern zum Versuch, das praktische Leben einer Partnerschaft durch den Himmel der Ideale zu ersetzen.
Depressive Menschen können sich an ihre Partner nicht bin­den, weil sie sich aus dem vergeblichen Bemühen um die Bindung an einen ihrer Elternteile nicht lösen können. Das Verlassen dieses Elternteils und die Hinwendung an einen Partner erzeugt wieder Schuldgefühle, besonders dann, wenn es von dem Vater oder der Mutter auch noch verstärkt wird: “Als ich mich mit meiner ersten Frau verlobte, brach meine Mutter in Tränen aus und war kaum zu beruhigen. Nicht nur die unrealistisch, aber hartnäckig verfochtene Fiktion von der richtigen Partnerin, auch die unnachsichtige Bedingung der vollkommenen Liebe machte Mutters Misstrauensbekundungen zu einem Alptraum. … Darum litt ich unter Mutters bohrenden Fragen. Sie trafen mich an einer sehr schwachen Stelle. … Jedes Mal fühlte ich mich ertappt und gescheitert. Und ich regte mich auf.” (Wieck, 1992, S. 28)
Der Auszug aus dem Elternhaus verläuft häufig als Drama und Flucht. Entstehende Partnerschaften beginnen unter einem ungünstigen Vorzeichen. Die Gefühle zu einem Partner können nicht klar von den Gefühlen zum Elternteil getrennt werden: “Dagegen muss ich Irmgard (seine Frau/Anm. F.R.) unberechenbar und labil erschienen sein. … Nie fragte ich sie, ob sie sich von mir geliebt fühlt. Ich nörgelte, unterminierte und belästigte ihre Gefühle nur. Mein Misstrauen stammte aus Mutters Alpträumen, nicht aus unserer Lebenswirklichkeit. Nähe zur Mutter hatte Entfremdung zu allen anderen Personen bedeutet. So hatte ich gelernt, Nähe zu fürchten, Nachbarschaft zu vermeiden. Tuchfühlung bedeutete Distanzlosigkeit, Verbannung in Muttergefühle. Berührungen führten zur Übertragung in Mutters Trauer und Depression.” (Wieck, 1992, S. 29)

Grenzenlose Liebesbereitschaft

Die Liebesbereit­schaft depressiver Menschen scheint grenzenlos. Dabei steht nach Riemann in der Praxis ihrer Liebe mehr das Zeigen von Zuneigung und Zärtlichkeit im Vordergrund, weniger die Sexualität. Sie können sich in einen beziehungsbereiten Partner sehr gut hineinfühlen, seine Ansichten weit­gehend über­neh­men, ihm sämtliche Wünsche von den Augen ab­lesen, mit ihm gleichsam in symbiotischer Ein­tracht leben, ohne darin einen Mangel an eigener Handlungsfreiheit zu emp­finden. Diese Form der grenzenlosen Liebe als Garant der Beziehung wird zum Sinn des eige­nen Daseins er­hoben. Ihre Liebe erscheint wie ein beständiger Versuch, die Trennung zwi­schen Ich und Du soweit wie möglich aufzuheben.
Grenzenlose Liebesbereitschaft ist unter dem Blickwinkel des Ausgleichs von Geben und Nehmen in Beziehungen eine Zumutung für den Partner: Der Depressive will immer nur ge­ben und selbst dafür nichts oder nur so wenig wie möglich nehmen. Indem er selbst nichts an­nimmt, versagt dem anderen den Ausgleich und erhält sich selbst den Anspruch, als der ei­gentlich Gute in der Beziehung dazustehen. Nicht zu nehmen, bedeutet im Grunde auch: sich nicht auf die Beziehung einlassen. Die Partner depressiver Menschen haben daher häufig das Gefühl, diesen nicht erreichen zu können.

Idealisierung von Partnern.

Ein Partner wird von einem depressiven Menschen schnell überbewertet und idealisiert, seine Schwächen werden verharmlost, die Augen vor seinen Feh­lern bewusst verschlossen, um Konflikten und Spannungen aus dem Weg zu gehen und die äu­ßerliche Bezie­hung damit nicht zu gefährden. Gegensätze zu harmonisieren gehört zu den gut geübten Fer­tigkeiten depressiver Menschen.

Gutmütigkeit und Verzichtsbereitschaft

Wegen der Angst, den Partner nie genug zu lie­ben, stellen sich auch hier Schuldgefühle ein, die durch Opfer gesühnt werden sollen. Die Liebe zum Partner wird a priori zu einem Verzichtsprogramm.
Eine dazu passende Haltung ist der Gestus der Kindlichkeit und Naivität, ein fester Glaube an das Gute im Menschen und die Absicht, selbst prin­zipiell gut sein zu wollen, d.h. für sich selbst kaum etwas zu fordern, be­scheiden, verzichtsbereit, friedfertig, selbstlos, voller Mitge­fühl und Mitleid zu sein; Schuldgefühle entstehen bereits, wenn man Unlust empfindet, die vielen Verzichtsansprüche an die eigene Person zu erfül­len. Beispiele der Überanpassung und Unterordnung können bis zur Selbstaufgabe praktiziert werden, im Extrem masochistisch-hö­rige Ver­haltensweisen können die Folge sein.

Passivität und Dienstbarkeit

Depressive Männer haben große Angst, von einer Frau zurückgewiesen zu werden. Sie trauen sich von einer Frau kaum etwas zu fordern und wir­ken auf Frauen daher eher neutral.
Da die traditionelle Frauenrolle sich mit dieser Passivität verträgt, fällt Depressivität bei Frauen weniger auf als bei Männern. Depressive Frauen spre­chen viel von (gescheiterter) Liebe und sind sexuell eher passiv und genügsam.
Die Beziehung zu einem depressiven Menschen erscheint anfangs sehr bequem: Der Partner erfährt darin die Wiederspiegelung seines Idealselbst, die Beziehung lockt anfänglich als eine schier unerschöpfliche Quelle narzißtischer Befriedigungen. Andererseits besteht aber auch die Ge­fahr der Langeweile, es gibt z.B. keine Heraus­forderung durch den Partner zur persönlichen Weiterentwicklung, da dieser sich vor allem als “dienstbarer Geist” verhält.

Brauchen statt lieben

Die Beziehung eines depressiven Menschen zu einem Partner kann sich nur wenig entwickeln und reifen. Sie bleibt in ihrem Anfangsstadium stecken. Der De­pressive braucht den anderen mehr als dass er ihn liebt. Den anderen Menschen zu “brauchen” zerstört als Anspruchshaltung das Gleichgewicht in der Beziehung. Es ist der Versuch, dem anderen die Verantwortung für das eigene Glück aufzulasten, es nimmt diesen die Freiheit sei­ner Entscheidung. “Ich brauche dich, weil ich dich liebe und ich liebe dich, weil ich dich brauche.” (Erich Fromm)

Wer auf diese Weise Halt bei einem Partner sucht, begibt sich in große Abhängig­keit von die­sem und dessen Lebenszielen. Weil der Depressive durch sein Verhalten die Beziehung wenig positiv fördert, nährt er bei seinem Partner Trennungswünsche. Er lebt beständig mit der Angst vor einer Trennung. “Der de­pressive Mensch ist dieser Angst besonders ausgesetzt. Bei ihm kann schon ein sich von anderen Unter­scheiden, ein anderes Denken oder Fühlen Verlustangst konstellieren, weil er es als Entfernung und Entfrem­dung erlebt. Deshalb ver­sucht er, alles ihn von anderen Unterscheidende aufzugeben.” (Riemann, 1992, S. 61)
Da jede wahrgenommene Distanzierung des Partners zu Trennungs- und Verlustängsten führt, kann der depressiv eingestellte Mensch sich nicht vorstellen, dass sein Partner nicht das gleiche Bedürfnis nach Nähe bzw. eine ebenso große Angst vor Distanz hat wie er. Er deutet dessen geäu­ßerte oder auch nur vermuteten Bedürfnisse nach Distanzierung daher als Zeichen seiner mangelnden Zuneigung und Suche nach einer neuen Beziehung. Die Suche nach Strategien, die Beziehung gegen solche (vermeintliche) Auflösungstendenzen abzusi­chern, liegt daher nahe. Paradoxerweise sind es aber gerade die stets spürbare Angst vor dem Verlust des Anderen und die damit verbundenen Stra­tegien der Absicherung der Beziehung, die einem Part­ner Anlass ge­ben, sich aus der dieser Umklammerung zu lösen.

Klammern

Mit Rücksicht auf die Trennungsängste wird dem Partner abver­langt, seine Eigenständigkeit einzuschränken und auf manches zu verzichten. Bei Konflikten, die dann nicht ausbleiben, kommt es beim Depressiven zu einem Klammern an den Partner: Du darfst mich nicht verlassen! Dies verstärkt jedoch die Krise: Je mehr der eine klammert, desto stärker erlebt der andere seine Ei­genständigkeit bedroht, desto größer wird sein Bedürf­nis nach Distanz, desto heftiger reagiert der andere wiederum mit seinem Bedürfnis nach Nähe usw. . Die Grundlage einer befriedigen­den Beziehung, die freiwillige Zustimmung der Bezie­hungspartner zu ihr, wird damit immer weiter untergraben.
Wenn der Partner die eigene Handlungsfreiheit mehr und mehr als bedroht erlebt, kann er sie sich nur noch heimlich und mit schlechtem Gewissen erhalten. Ein stetig wach­sendes Kontin­gent an Heimlichkeiten untergräbt die Beziehung dann weiter.
Die Abgrenzungsstrategien des Partners zu durchkreuzen, wird so zu einer Hauptsorge eines depressiven Menschen. Dies kann z.B. mit der Drohung geschehen, die Beziehung von sich aus abzu­brechen. Durch Hinwendung an eine andere Person kann auch Eifersucht provoziert werden in der Hoffnung, der Partner würde sich dann des Wertes der Beziehung wieder bewusst. Diese Taktik führt aber in der Re­gel zu einer Kränkung des Partners, der sich dann entweder selbst zur Trennung entschließt oder nach erfolgter “Rückeroberung” bei entsprechender Ge­legenheit die Kränkung zurückzahlt, um das “Beziehungskonto” (Boszormenyi-Nagy & Spark, 1993) wieder aus­zugleichen. Daraus ent­wickeln sich dann Machtspiele mit den gegenseitigen Entwertun­gen der jeweiligen Taktiken. Beide Partner sind dann immer mehr durch negative Gefühle aneinander gekettet.

Demonstration von Abhängigkeit.

Der depressive Partner verfällt einerseits auf die Strate­gie, den anderen noch mehr von sich abhängig zu machen, zu ver­suchen, ihm den Willen und sogar die Fähigkeiten zu einer Trennung zu entziehen. Andererseits versucht er dem Partner seine eigene Abhängig­keit beständig vor Augen zu füh­ren, indem er seine Hilflosigkeit demon­strativ unter Beweis stellt, d.h. Misser­folge inszeniert und provoziert, sich sogar entgegen sei­nen sonstigen Gewohnheiten gehen lässt, körperliche Be­schwerden (z.B. Migräneanfälle) und Krankheiten be­nutzt, um dem anderen zu verstehen zu geben: Du darfst, d.h. du kannst mich nicht verlassen!
Dass dieses Fordern nicht offen geschieht, erklärt sich dadurch, dass der depressive Mensch aufgrund seines Liebesideals den anderen nicht zur Liebe zwingen, sondern seine freiwillige Bereitschaft dazu erleben möchte. Den Vorwurf der Berechnung und der Erpressung des Part­ners würde er daher weit von sich weisen: Seine Hilflosigkeitszu­stände erlebt er selbst nicht als Nicht-Wollen, sondern als Nicht-Können (“die eigenen Nerven sind zu schwach”, “der Körper ist zu krankheitsan­fällig” usw. ).
Die Demonstrationen entsprechender Verhaltensweisen bis hin zu Selbstmorddrohungen (“Wenn du mich nicht mehr liebst, will ich nicht mehr le­ben!”) rufen zwar bei einem für solche Taktiken noch empfänglichen Partner Schuldgefühle hervor und be­wirken, dass er seine Trennungsabsichten immer wieder aufgibt, doch erhält er diese Beziehung schließlich nicht aus echtem Wohlwollen zu seinem Partner, sondern nur noch aus einer Mi­schung von Angst, Mit­leid, schlechtem Gewissen und Verantwortungsbewusst­sein – Gefühlen und moralischen Einstellungen, hinter denen sich leicht Hass aufstaut bis hin zum Wunsch, der Partner möge endlich tot sein.
Dass sich solche Beziehungen trotz allem oft als sehr stabil erweisen, liegt daran, dass Men­schen mit einer depressiven Interaktionsstrategie häufig Partner finden, die durch eine kom­plementäre Lebenseinstellung ge­prägt sind. Nach Riemann finden depressive Menschen am ehesten Partner mit einer schizoiden Charakter­struktur, weil diese die Kunst beherrschen, Beziehungsangebote abzuwehren, umzudeuten und zu entwerten: Ich bin so unabhängig und stark, dass ich andere, die mich brauchen, stützen kann! Schizoide Persönlichkeiten präsentie­ren sich als jemand, der im Grunde keinen anderen braucht, der deshalb viel nehmen kann, ohne deswegen gleich Schuldgefühle zu bekommen. Fanita English (1985) bezeichnet solche Partner als “Typ 2 = “Retter”- und “Beschützer”- Charak­tere: “Thea – die Klientin mit der depressiven Symptomatik – gehört ganz offensichtlich zur Typ 1-Kategorie und Charles – ihr Ehemann – zum Typ 2. Der Leser wird ver­stehen können, weshalb Charles seine Identität zu ei­nem Großteil daraus bezog, “heroisch” im Umgang mit der “Bürde” durch seine Frau zu sein (Freunde bewun­derten immer wieder seine Geduld und “Kraft”), d.h. ihr jeden Tag, trotz über­vollen Tagespensums, das Früh­stück ans Bett zu bringen, tagsüber mehrmals an­zurufen, um nach ihrem Befinden zu fragen, ihretwegen auf soziale Verpflich­tungen zu “verzichten” usw. – und nicht einmal eine Affäre nebenbei zu haben.” (a.a.O., S. 226)
English zeigt an diesem Fallbeispiel auch, dass dem “heroischen” Partner ein Funktions- und damit Selbstwertverlust droht, wenn der depressive Partner durch eine Therapie beginnt, selb­ständiger zu werden: ” … weshalb Theas baldige Besserung nach Eintritt in die Transaktionsanalyse-Gruppe eine Bedrohung für Charles bedeutete. … Er entwickelte Schlafstörungen, wurde übermäßig erregbar, verfiel periodenweise in mürrisches Schweigen (im Gegensatz zu seiner sonstigen Gutmütigkeit), aber er schob dies alles auf Frustra­tionen bei seiner Arbeit.” (S. 226)
Nach Trennungen (Scheidung, Tod des Partners) suchen Depressive nach Riemann (1993, S. 68) – wenn dies die Le­benssituation zulässt – sofort wieder nach einem neuen Partner, auch wenn sie den alten doch so sehr geliebt haben. Auch wegen des vernach­lässigten Eigenlebens und dem sich innerlich Verschließen ist die Fähig­keit von Depressiven groß, sich sofort auf einen neuen Partner einzustellen.

Unattraktivität als sich selbst erfüllende Prophezeiung

Depressive Menschen passen sich an und machen sich abhängig. Sie entwickeln wenig Eigeninitiative. Nach Außen werden die eigenen Ansprüche nach Anerken­nung immer weiter herunterge­schraubt (“Wenigstens an meinem Ge­burtstag hättet ihr an mich denken können!”), auf die Be­lohnungserwar­tung für die eigenen Dienste und Opfer – weil dadurch kein Geliebtwer­den zu­stande kommt, wird das Gleiche, was zuvor gerne gemacht wurde, jetzt durchaus als Opfer erlebt – wird demonstrativ zu verzichten ver­sucht (“Von den Kindern hat man ja doch nichts zu erwarten.”), der ei­gene Liebes”hunger” lebt aber weiterhin ungestillt im In­neren fort. Er kann sich von den Verhaltensweisen eines Partners völlig lösen, sich blind gegenüber seinen Bedürfnissen stellen und seiner Be­reitschaft, überhaupt etwas anzunehmen (“Wenn ich dich liebe, und Opfer für dich bringe, was geht es dich an?!”). Verzicht wird im Voraus einzuüben ver­sucht, dann kann man nur noch angenehm enttäuscht werden.
So entsteht eine Tendenz zu einer “Saure-Trauben-Strategie”: Verzicht wird im Voraus geübt, damit man nicht mehr enttäuscht werden kann. Was der Depressive eigentlich möchte, aber nicht zu erreichen sich im Stande sieht, wird als nicht mehr erstrebenswert hinge­stellt – die Welt wird so immer grauer, farb- und reizloser, leerer, langweiliger und schließlich völlig sinnlos. Müdigkeit, Teilnahmslosigkeit, Wahrnehmungsabwehr als Schutzfilter verstär­ken seine Depression, weil er immer wieder vor seinem Ideal versagt und immer mehr von sich enttäuscht ist.
Die Welt erscheint ih­nen als eine immerwährende Quelle von Versagungen. Sie werden von Missgunst und Neid auf andere angefressen, die sich an der Welt freuen. Sie zeigen durch ihre Mimik, Gestik, Körperhaltung, Kleidung und Frisur wie wenig sie von sich selbst überzeugt sind und wie unattraktiv sie sich im Grunde fühlen.
Es kann sich ebenso ein fressender Neid auf all die anderen entwickeln, die sich das heraus­nehmen, worauf man selbst verzichten muss (aggressive Komponente der Depression), weil man es sich nicht erlaubt zu nehmen. Am Ende bleibt nur noch Selbstmitleid, aus dem eine Art masochistischer Befriedigung gezogen werden kann.
Dadurch wächst für den depressiven Menschen die Gefahr, von anderen ausgenutzt zu wer­den; andere danken ihm die erbrachten Opfer nicht, halten ihn für naiv und dumm und verach­ten ihn für seine Opferbereit­schaft sogar. Er wird allmählich auch praktisch zu dem beklagens­werten Menschen, für den er sich selbst hält.

Suizidneigung aus Enttäuschung.

Aus dem bisher Gesagten ergeben sich zahlreiche Motive für de­pressive Menschen, sich das Leben zu nehmen. Das eigene Leben erscheint wert- und sinnlos, Liebe und Anerkennung zu erreichen aussichtslos. Vielleicht wird man mich schmerzlich ver­missen erst wenn ich tot bin … .

Wahnhafte Depressionen

Die zuvor beschriebenen Gefühle, Haltungen und Verhaltensweisen charakterisieren die depressive Neurose, bei der es immer wieder zu seelischen Zusammenbrüchen kommen kann. Der betreffende Mensch kommt aber immer wieder auf die Beine. Oft braucht er dazu die Unterstützung eines Psychotherapeuten. Wenn dieser den Entstehungszusammenhang depressiver Hilflosigkeits- und Ohnmachtgefühle nicht verstehen, ziehen sich die Therapien in die Länge, ohne das Grundproblem der ursprünglichen Bindungsstörung zu heilen. Welche therapeutischen Strategien dabei hilfreich sind, dazu später.
Zum vollständigen Verständnis von Depressionen gilt es zunächst noch, das Rätsel der sog. endogenen Depressionen zu lösen. Warum fallen Menschen in einen depressiven Zustand, der wahnhaft erscheint, weil ihm die äußeren Anlässe völlig zu fehlen scheinen?
Der Schlüssel zum Verständnis dieser schwersten Formen von Depressionen liegt meines Erachtens wiederum beim Konzept des seelischen Traumas. Bei den Ereignissen, welche diese schweren Formen von Depressionen verursachen, handelt es sich nicht mehr nur um einfache Verlusttraumen. Nach meiner Erfahrung mit schwerst depressiven Patienten sind die Ursprünge der Depressionen traumatische Ereignisse, bei denen es auch um schwere Schuld geht.

Der Sohn als Rivale

Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Einer meiner Patienten war mit etwa 25 Jahren in eine schwere depressive Krise geraten und verbrachte fast ein Jahr in einer psychiatrischen Klinik. Alle Versuche, ihn mit Medikamenten aus seiner Depression zu erlösen, schlugen fehl. Durch eigene Initiative und sozialarbeiterische Unterstützung war er allmählich wieder so weit, zunächst einfache Jobs und später eine Berufsausbildung aufzunehmen. Er suchte sich dann aus eigenem Entschluss psychotherapeutische Unterstützung. Wie sich herausstellte, war er das einzige Kind seiner Eltern. Der Vater seiner Mutter war im Krieg gefallen, als die Mutter noch ein Kind von acht Jahren war. Dieser Umstand hätte ausgereicht, um bei ihm den Prozess einer neurotischen Depression in Gang zu setzen (siehe Kap. 5.3 und 5.4).
Der eigentliche Grund für seine psychotische Depression liegt meines Erachtens jedoch beim Vater. Dieser musste als 5jähiger erleben, wie sich sein Vater umbrachte. Der Hintergrund für diesen Selbstmord war die Tatsache, dass seine Mutter ein Verhältnis mit einem anderen Mann begonnen hatte, den sie nach dem Selbstmord ihres Mannes dann auch heiratete. Der Vater des Patienten musste also einen Mann als seinen Stiefvater akzeptieren, der zumindest indirekt für den Tod seines eigenen Vaters verantwortlich war. Diese schizophrene Situation führte beim Vater zu einer tiefen seelischen Verwirrung, zu Verbitterung und abgespaltenen Hassgefühlen auf seine Mutter. In seinem Sohn sah er jemand, der ihm den Platz an der Seite seiner Frau streitig machen wollte. Er identifizierte ihn also unbewusst mit dem Rivalen seines Vaters und bekämpfte ihn.
Obwohl er seinen Vater liebte, spürte der Patient also auch dessen Abneigung gegen und die Wut auf ihn. Alle seine Anpassungsstrategien mussten unter diesen Voraussetzungen irgendwann einmal zusammenbrechen. Er konnte es seinem Vater nicht recht machen. Der Zusammenbruch kam dann während des Studiums.

Übernommene Schuld

Schwere und wahnhafte Depressionen scheinen gerade in Deutschland mit dem zweiten Weltkrieg und den Verbrechen in Verbindung zu stehen, die vor allem von deutschen Vätern und Großvätern begangen wurden. Die abgespaltenen Schuldgefühle der Täter werden auf dem Weg der seelischen Bindung von ihren Kindern, z.T. auch Enkelkindern in ihre Seele aufgenommen. Werden deren Ich-Strukturen geschwächt – z.B. durch den Konsum von Drogen – so können diese Schuldgefühle und Bilder des Grauens in ihr Bewusstsein dringen. Unerklärbare Schuldgefühle und das Bedürfnis nach Sühne überfluten dann ihre Seele.

5 Hilfen bei Depressionen
5.1 „Krankheit Depression“ – die Sichtweise der medizinischen Psychiatrie

Die Anwendung des Krankheitsparadigmas.- Die Psychiatrie ist ein Spezialgebiet der Medizin. Entsprechend dem allgemeinem Modell, das die Medizin von Krankheiten hat, werden daher auch die Auffälligkeiten im Erleben und Verhalten eines Menschen, die man zu einem Oberbegriff „Depression“ zusammenfasst hat, als eine spezielle Form von Krankheit aufgefasst. Die Symptome der Depression gelten daher als Anzeichen einer dahinterliegenden Krankheit.
Logisch betrachtet wird damit der Fehler der Verdoppelung gemacht: die Erscheinungen (als depressiv bezeichnete Symptome) werden mit ihrem dahinter vermuteten Wesen (Krankheit Depression) gleichgesetzt. Psychische, seelische und soziale Phänomene werden so für die medizinische Wissenschaft und Heilkunst zum Konstrukt einer medizinisch behandelbaren Krankheit. Die „Krankheit Depression“ zu beseitigen wird demzufolge zur Aufgabe der psychiatrischen Therapie im Umgang mit depressiven Menschen. Diese werden demzufolge wie körperlich kranke Menschen entweder ambulant mit Medikamenten oder stationär in Krankenhäusern mit physikalischen, chemischen oder biologischen Methoden behandelt.
Sprachlich macht sich diese Sichtweise in vielerlei Hinsicht als Verdinglichung menschlichen Erlebens und Verhaltens bemerkbar. Man sagt dann z.B. nicht, dieser Mensch ist depressiv oder zeigt depressive Verhaltensweisen, sondern er hat eine Depression, als wäre die Depression etwas von ihm und seiner Person Getrenntes.

Gehirnstoffwechselstörung?- Da für die Medizin der letzte Grund einer Krankheit nur ein materiell fassbarer sein kann, vermuten Psychiater in den Stoffwechselvorgängen des menschlichen Gehirns den Ursprung der „Krankheit Depression“. Letztlich verursacht sei diese wiederum durch die Gene als die Grundbausteine des gesamten Organismus. Weder gibt es aber seitens der Medizin einen Nachweis dafür, welche Stoffwechselstörungen in einem menschlichen Gehirn ursächlich für die depressiven Symptome bei Menschen sorgen, noch konnte bewiesen werden, dass bestimmte Gene oder Gensequenzen für das Entstehen dieser Stoffwechselstörungen verantwortlich sind.
„Jahrelang wurde die biologische Theorie der Depression wie die Dopamin-Neurotransmitter-Theorie der Schizophrenie von Spekulationen geleitet, wie und warum die Medikation die Depression manchmal zu mildern scheint. Eine der früheren Gruppen der Antidepressiva, die Monoaminooxydas-Hemmer (MAO-Hemmer) – … – tendieren dazu, die Menge des verfügbaren Noradrenalins im Zentralnervensystem ansteigen zu lassen. So stellte man die Hypothese auf, dass die Depression ein Ergebnis des Gegenteils sein könnte: zu wenig Noradrenalin. Spätere Studien zeigten, dass manche der sogenannten Antidepressiva auch einen Anstieg in der Verfügbarkeit eines anderen Neurotransmitters, des Serotonin, verursachen. So wurde die Theorie erweitert: Einige Arten der Depressionen könnten auch einem Mangel an Serotonin zugeschrieben werden. … Schließlich wurde diese Theorie durch entgegengesetztes Beweismaterial als lückenhaft gestempelt. Manchen Medikamente zum Beispiel, die diese biochemischen Wirkungen imitierten, schienen die Depression nicht zu verringern, und andere, von denen man annahm, dass sie die Depression manchmal erleichtern, hatten einen völlig anderen biochemischen Mechanismus. … Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir die angenommene Beziehung zwischen der beeinträchtigten Serotonin-Neurotranismission und manchen destruktiven oder selbstzerstörerischen Verhaltensweisen nicht wissenschaftlich bestätigen. … Wissenschaftliche Überprüfungen der Biochemie der Depression waren nicht in der Lage, eine schlüssige biochemische Basis zu identifizieren.“ (Breggin, 1996, S. 210 ff.)

Experimente mit Medikamenten.- Die psychiatrischen Behandlungen können daher als eher experimentelle Versuche an depressiven Menschen bezeichnet werden, mittels Physik (Elektroschocks) oder Chemie deren Zustand zu bessern. Wie mir Patienten immer wieder berichten, werden ihnen zunächst bestimmte Medikamente verordnet. Da diese die Depressionen aber nicht beseitigen können, werden, ohne weitere Begründungen, immer wieder neue Medikamente an ihnen ausprobiert. Ein Patient, der bei mir eine Therapie begann, berichtete, dass an ihm zuvor acht verschiedene Medikamente ausgetestet worden sind.
Selbst die Erfolgsmeldungen der Psychiatrie – “Gerade für endogen Depressive wird für 50 – 60% ein gutes Ansprechen auf Me­dikamente berichtet.” (de Jong-Meyer und Cloer, 1995) – weisen eher auf die Zufälligkeit der erzielten Ergebnisse hin. Denn was bedeutet „gutes Ansprechen“? Sind 50 – 60% der Patienten damit von ihren Depressionen geheilt? Wie lange halten diese Effekte an – wenn sie überhaupt auftreten, was bei der anderen Hälfte der Patienten nicht der Fall ist?
Die Psychopharmakotherapie (MAO-Hemmer, trizyklische Antidepressiva, Thymoleptika, Lithium) zeitigt bei depressiven Menschen so gut wie keine Langzeiterfolgen: “Depressive Phasen im Rahmen endogener Depressionen haben eine starke Ten­denz zur Spontanremission; mit Antidepressiva wird die Phasendauer verkürzt, nicht aber die Grundkrankheit geheilt, da Monate oder Jahre später neue depres­sive Phasen auftreten können.” (Spiegel, 1991, S. 171)

Die sog. Nebenwirkungen.- Die ge­sundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen der als Antidepressiva verordneten Medikamente sind vielfältig: “Die Mittel gegen Depressionen machen nicht abhängig, aber sie können mit erheblichen Nebenwirkungen ver­bunden sein. Dazu zählen beispielsweise Herzjagen und Störungen des Herzrhythmus, Beeinträchtigungen des Reaktionsvermögens, Zittern, Schüttelkrämpfe und Verwirrtheit oder auch Störungen der sexuellen Lust und Veränderungen des Menstruationsrhythmus.” (Ernst, 1995, S. 18)
Ein Betroffener schildert seine Erfahrungen mit Lithium wie folgt: „Damals … stand die Lithiumtherapie bei Depressionen in hohem Ansehen – ich sollte mich ihr auch unterziehen. Als Vorteile wurden geringe Nebenwirkungen genannt, keine Abhängigkeiten wie bei Beruhigungsmitteln. Nur dass die Konzentration des Medikamentes im Blut wöchentlich kontrolliert werden musste, um die therapeutisch richtige Menge korrekt dosieren zu können, war eine etwas lästige, aber immerhin harmlose Begleiterscheinung. Dieses sich dann doch als tückisch herausstellende Medikament hatte nicht nur über Monate keine positive Wirkung, sondern den fatalen Nebeneffekt, dass ich mich in den Augen meiner Mitmenschen offenbar inzwischen zum Schwerstalkoholiker entwickelt hatte, dessen Hände schon morgens beim Aufstehen zu zittern begannen.
Kurz: Ich konnte meine Feinmotorik und meine Muskeln nicht mehr einwandfrei kontrollieren, sondern zitterte ständig, wenn ich auch nur ein Wasserglas korrekt zum Mund führen wollte. Als Folge mied ich ab sofort Situationen, in denen ich mich durch mein Zittern outen würde, was mich zusätzlich in die Isolation führte. Irgendwann empfand ich auch diese Therapie als absurd und sagte meinem Arzt sehr deutlich, dass ich, wenn irgend möglich, sofort alle Medikamente absetzen möchte. Merkwürdigerweise stimmte er ganz selbstverständlich zu, so, als hätte ich nach Jahren der Behandlung die normalste Regung der Welt an den Tag gelegt.“ (Reiners, 2002, S. 28 f.)

Elektroschocks – reinigendes Gewitter oder therapeutischer Krampf?- Wie es ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 27.5.2002 ans Licht brachte („Wenn der Tag zur Nacht wird“) wird das Elektroschockverfahren bei schwer depressiven Patientinnen mittlerweile wieder routinemäßig angewandt. Der Zeitungsartikel schildert den Fall einer Patientin in einer Münchner Universitätsklinik. „Die sogenannte Elektrokonvulsionstherapie (EKT) hat sie zwei Wochen vor Ostern kennen gelernt. … ‚Man verdrahtet dich mit Elektroden, dann kommt die Vollnarkose, und du bist weg’, berichtete sie. Frau K. litt anschließend nicht, wie eine andere Patientin, unter Störungen im Kurzeitgedächtnis.“ Frau K. hat bereits sechs „Behandlungen“ bekommen. Sechs weitere, verteilt über zwei Wochen, hatte sie dem Bericht zufolge noch vor sich.
Dass es sich bei dieser „Therapie“ wie bei den Medikamenten um ein reines Ausprobieren handelt, gesteht der behandelnde Psychiater ein. Er „… weiß nicht genau, welcher Effekt der Stromimpulse heilsam wirkt. Der behandelnde Arzt sagt: ‚Es findet ein Krampfanfall im zentralen Nervensystem statt.’ Doch warum die elektrisch ausgelösten Krämpfe seinen Patienten helfen, ist unbekannt. … Ist das elektrische Trommelfeuer zwischen den Nervenzellen ein reinigendes Gewitter? Werden falsche Ladungen, Ungleichgewichte im Nervensystem wieder in Balance gebracht?“
Dabei kann von „heilsam wirken“ und wirklich helfen bei der im Zeitungsbericht geschilderten Patientin nicht die Rede sein. Sie äußert, dass nach einem Schock ihre „Welt heller geworden ist“. Was das konkret für sie bedeutet und wie lange das anhält, darüber gibt der Zeitungsbericht keine Informationen. Ebenso werden die langfristig gesundheitsschädigenden Effekte von Stromstößen in das Gehirn nur angedeutet.
Diese Folgen hat der Psychiatriekritiker Peter Breggin genauer untersucht: „Für ein paar Tage oder Wochen ist der Patient in Folge der Hirnschädigung möglicherweise hochgestimmt oder euphorisiert, und dies kann als ein „Sich-besser-Fühlen“ erfahren werden. Auf längere Sicht jedoch wird der Patient apathischer und beschwert sich weniger.“ (Breggin, 1996, S. 290) Zerstörung von Gehirngewebe, Konzentrationsstörungen, schwere Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistung sind nach Breggin weitere nachgewiesene Spätfolgen von Stromstößen durch das menschliche Gehirn. Welcher gesunde Mensch würde sich dem Risiko von sechs Vollnarkosen in zwei Wochen aussetzen – mit „psychisch Kranken“ kann man das offenbar machen.
Als ewig Gestrige werden seitens der Psychiatrie mittlerweile wieder die Menschen diffamiert, die gegen diese unwissenschaftliche und schädliche Behandlungsmethode Einwände erheben. „Bei der Behandlung von depressiven Patienten stößt die Elektro-Krampf-Therapie immer noch auf Vorurteile“ lautet der Untertitel dieses Beitrages in der Süddeutschen Zeitung. Der Mainstream scheint also derzeit in Richtung der Rehabilitation eines Verfahrens zu gehen, das einmal ein zentraler Kritikpunkt an inhumanen Zuständen in der Psychiatrie wahr. Auch in einem Sonderheft des Magazins Stern vom Oktober 2003 zum Thema seelische Gesundheit wird kritiklos Werbung für die Elektroschock“therapie“ bei schweren Depressionen gemacht.

Die körperlichen Dimensionen der Seele.

Bei aller Kritik an der medizinischen Sichtweise in Bezug auf Depressionen wäre es einseitig anzunehmen, dass körperliche Vorgänge keinen Einfluss auf depressive Erlebens- und Verhaltensweisen hätten. Oder dass umgekehrt eine schlechte psychische Verfassung ohne körperliche Folgen wäre. Schlaflosigkeit, zu wenig Bewegung, zu wenig oder schlechte Ernährung oder zuviel Essen hinterlassen auch im und am Körper Spuren.
Auch wenn man aber nicht von einer körperlichen, sondern einer seelischen Verursachung der depressiven Symptome ausgeht, so können zumindest die negativen gesundheitlichen Folgen für den Körper durch gute Ernährung und ausreichende Bewegung gering gehalten werden. Durch sportliche Aktivitäten schaffen es manche Menschen, positiv wirkenden Stoffwechselvorgänge im Körper so weit zu aktivieren, dass es ihnen zumindest zeitweise auch seelisch besser geht: „Ich hatte für mich den Dauerlauf als ‚Heilmittel’ entdeckt. Seit über 20 Jahren laufe ich jetzt, wenn es geht, jeden Morgen. Das Laufen bedeutet für mich keine Anstrengung, es ist das reine Vergnügen, ein Geschenk, das ich mir jeden Tag mache.“ (Reiners, a.a.O., S. 32)
Es gibt äußere Einflüsse auf den Körper, die zu depressiven Verstimmungen führen können wie z.B. zu wenig Licht, Sauerstoff, Gifte in der Nahrung oder schädliche Impfungen. So führen z.B. Psychopharmaka bei Patienten mit der Diagnose „Schizophrenie“ zu einer depressiven Grundstimmung, weil diese Medikamente die Gefühle generell dämpfen. Licht und Sonne sind daher günstige Bedingungen zur Überwindung depressiver Verstimmungen.

Glaubwürdig, trotz Erfolglosigkeit?.

Warum ist das medizinische Konstrukt einer Krankheit Depression in westlichen Gesellschaften so glaubwürdig, obwohl es in der Behandlung depressiver Menschen in großem Umfange erfolglos ist? Dies hat vermutlich mehrere Gründe:
– Die medizinische Psychiatrie profitiert vom guten gesellschaftlichen Image der Medizin. Die Medizin hat der Menschheit schon viel Segen gebracht. Die Menschen vertrauen den Ärzten und ihrer Heilkunst.
– Viele Menschen erleben es als eine persönliche Kränkung „psychisch gestört“ oder gar „verrückt“ zu sein. Sie bevorzugen es daher, im Ernstfall lieber von einem Arzt als von einem Psychologen behandelt zu werden. Sie möchten sich auch oft mit den wirklichen Ursachen ihrer depressiven Symptome nicht auseinandersetzen und erhoffen sich eine schnelle Hilfe durch Medikamente.
– Die Ärzteschaft hat es verstanden, aus ihrem guten Ruf, eine starke berufspolitische Stellung in der Gesellschaft zu machen. Gesundheitspolitische Reformen, die von Ärzten verlangen, ein von ihnen bereits besetztes Terrain beruflichen Handelns mit anderen Berufsgruppen zu teilen oder gar an diese abzugeben, scheitern in der Regel am Widerstand der ärztlichen Standesorganisationen oder werden auf eine Weise in das berufs- und sozialrechtliche System der Ärzteschaft „integriert“, dass wirkliche Veränderungen unterbleiben. Als Beispiel der jüngsten Vergangenheit sei hier das Psychotherapeutengesetz erwähnt.
– Die Produktion von Psychopharmaka ist ein Wirtschaftsfaktor. Mit psychosozialen Dienstleistungen lassen sich keine großen Gewinne machen.
– Auch die Alternative zur medizinischen Behandlung, die Psychotherapie, hat bei schweren Depressionen den Nachweis einer erheblich höheren Wirksamkeit auf breiter Basis bislang nicht erbringen können. Selbst nach jahrelangen intensiven Psychotherapien sind manche Patienten auch nicht viel weiter als zu Beginn der Therapie. Wenn man annimmt, dass Depressionen ihre Ursprünge in Bindungsstörungen und Traumatisierungen haben, so ist Psychotherapie grundsätzlich der an­gemessenere Weg der Behandlung depressiv gewordener Menschen. Dennoch darf nicht über­sehen werden, dass die derzeit gängigen Psychotherapieverfahren bei schweren Depressionen keine besonders hohen Erfolgsraten aufweisen: “Gegenüber den Effekten medikamentöser Behandlungszugänge erwiesen sich die Effekte der psychologischen Behandlungszugänge als vergleichbar ausgeprägt (Elkin et al., 1989); in einigen anderen Untersuchungen deu­tet sich auch diesbe­züglich eine Überlegenheit der psychologischen Ansätze an.” (Blöschl, 1991, S. 288)

Hin- oder Wegsehen?

Auf einer tieferen Ebene scheinen mir in der oft sehr emotional geführten Diskussion um das Für und Wider medizinischer versus psychotherapeutischer Behandlung zwei grundsätzliche Haltungen zum Ausdruck zu kommen:
– Die eine Haltung möchte sich den Ursachen seelischer Schmerzen eher nicht zuwenden und sucht das Heil im Wegsehen von den lebensgeschichtlichen und familienbiografischen Wurzeln von Depressionen und in der Unterdrückung von Symptomen. Es besteht eine große Angst, bei der Konfrontation mit den Ursachen des seelischen Schmerzes in unkontrollierbare Zustände zu geraten. Dies ist verständlich, wenn man bedenkt, welche Angst-, Wut-, Ohnmachts- und Schmerzgefühle in Traumaerfahrungen stecken. Wer möchte sich schon gerne solchen Gefühlen erneut aussetzen müssen?
– Die andere Haltung erhofft sich durch die Konfrontation mit den Ursachen seelischer Schmerzen eine dauerhafte Heilung und setzt sich daher dem Schmerz der Aufdecken aus. Sie geht den mühevollen Weg der erneuten Konfrontation mit den Trauma- und Bindungsstörungen.

Für beide Haltungen gibt es gute Gründe. Eine unvorbereitete Konfrontation mit Ursachen kann tatsächlich zu einer Verschlechterung von seelischen Befindlichkeiten führen, wenn nicht genügend Ressourcen vorhanden sind, diese Hinsehen zu den Ursachen zu verkraften. Für das Hinsehen und Aufdecken spricht der dauerhafte Erfolg, auch wenn der Weg zum Ziel oft langwierig und mit schmerzhaften Veränderungen verbunden ist.
Welchen Weg er wählt, muss jeder Patient selbst entscheiden. Niemand kann gezwungen werden, sich dem zu öffnen, was ihm Angst macht, niemand darf davon abgehalten werden, den Weg des Hinsehens zu gehen, wenn er bereit dazu ist.

Depressive Reaktionen und ihre seelische Verarbeitung
Anhand der Krisensituation “Trennung von Frauen von ihren Männern” versuchte Dross (1991) die Frage aufzuklären, warum Menschen trotz einer Krise seelisch gesund bleiben. Sie stellt dabei vier ver­schiedene Phasen der Krisenbewältigung dar:

– zuerst emotionale Überwältigung durch die krisenhafte Situation,
– unmittelbare Bewältigungsversuche kürzerer Reichweite (sich ablen­ken),
– gezieltes Bewältigungsverhalten (Ursachensuche),
– Neukonsolidierung (etwas Neues beginnen).

Dabei kann es immer wieder zu Rückfällen, zu emotionaler Verstörung und gedanklicher Desorientierung kommen. Kompetenzen zur Rückfall­bewältigung sind Strategien zur gefühls­mäßigen Beruhigung und ge­danklichen Strukturierung. Eine entscheidende Ressource für die Krisenbewältigung war in der Untersuchung von Dross die Rück­zugsmöglichkeit in eine be­reits eingerichtete Wohnung.
Obwohl für die in dieser Studie untersuchten Frauen das Sozialhilfegeld sehr gering bemessen war, bewerteten sie ihre finanzielle Lage nach der Trennung besser als zuvor, weil sie nunmehr alleine über das Einkom­men verfügen konnten (Ressourcenkontrolle).
Entscheidend für die Bewältigung einer psychischen Gefährdung ist, dass die in der Krisensi­tuation auftretenden psychischen und psychosomati­schen Symptome (Angst, Herzrasen, Depression, Verdauungsbeschwer­den …) als situationsangemessen interpretiert werden, zunächst einmal sich selbst zugestanden werden, um dann die Gegenwehr zu aktivieren:
– abschalten, sich ablenken, sich verwöhnen,
– Probleme bewusst reflektieren, nach Verbesserungen suchen,
– sich positive Vorstellungen machen,
– mit jemandem sprechen, der eine solche Krise gut bewältigt hat,
– keine Selbstanklage und -vorwürfe machen.

Woran machten die befragten Frauen ihre psychische Gesundheit fest?
– am Funktionieren können (Kinder, Beruf, selbst die Steuererklärung ausfüllen…),
– am sich wohl fühlen, Zufriedensein, Spaß haben und
– ein positives Selbstwertgefühl haben.

Von den Frauen, die ein “Ich bin o.k.”-Gefühl als ihre Grundstimmung angaben (“ausgeglichener Charakter”, “glückliches Naturell”), wurde auch mindestens ein Elternteil als harmonisch, mit sich selbst in Einklang le­bend bezeichnet. Sie hatten zu diesem auch eine lie­bevolle Beziehung. Tendenzen zur Selbstkritik, zum Selbstzweifel resultierten aus einer in­neren Stimme, die oft der Mutter zugeschrieben wurde. Ein schlechtes Verhältnis zur Herkunftsfamilie wurde als le­benslange Beeinträchtigung erlebt. Verunsicherungen des positiven Selbstbezugs brachten vor allem die Pubertät (Sorge um die eigene Attraktivität) und Partnerbeziehungen (Zweifel an der eigenen Liebesfähigkeit und der Möglichkeit, einen Part­ner durch Liebe an sich zu binden).

Strategien zur Auflösung der negativen Selbsteinschätzung waren:
– Distanzierung von der negativen Elternstimme,
– eigene Ziele setzen, sich selbst positiv instruieren;
– Akzeptanz des eigenen Körpers,
– Distanzierung von beeinträchtigenden geschlechtsspezifischen Rollen­zuschreibungen und Partnererwartungen,
– Akzeptieren von Alleinleben und zeitweiliger Einsamkeit,
– Knüpfen eines eigenen Beziehungsnetzes mit Möglichkeiten zur freien Aussprache,
– selbstbestimmte Tätigkeiten machen (“Aneignung der Welt”),
– Unterscheiden können zwischen partnerschaftsbezogenen Glücksvor­stellungen und psychi­schem Wohlbefinden.

5.3 Verhaltenstherapie
Viele Menschen können sich ohne professionelle Hilfe aus depressiven Zuständen wieder be­freien und die notwendige Seelenarbeit leisten. Sehr viele Menschen kommen aber ohne pro­fessionelle Unterstützung nicht aus den oben ge­schilderten Teufelskreisen heraus, machen statt etwas ganz anderes nur “mehr vom selben”, was ihr Problem nur verschärft, statt es zu lösen.
Verhaltenstherapeutische Interventionen bei Depressionen begründen sich auf unterschiedli­chen theoretischen Annahmen (im Folgenden zi­tiert aus Blöschl, 1991, S. 282 ff.).

Depression und Verstärkerausfall.- Nach Lewinsohn erleiden Depressive einen Verlust von Verstärkern z.B. durch den Wegfall einer geliebten Person; weil sie kaum etwas tun, inak­tiv, antriebs- und interesselos sind, zeigen sie auch wenig Verhal­ten, das von der Umwelt ver­stärkt werden könnte. Nach Rehm können Depressive externale Verstärkerverluste nicht durch ausreichende internale Regulationsmechanismen überbrücken.

Depression als Kognitive Verzerrung.- Nach Beck haben Depressive eine verzerrte Sicht der Welt, der eigenen Person und der Zu­kunft (“negative kognitive Triade”):
– selbst bei geringen Belastungen werden diese einseitigen und verzerr­ten kognitiven Schema­ta aktiviert;
– sie ziehen willkürliche Schlüsse (z.B. ich bin schuld, wenn etwas nicht klappt), übergenera­lisieren und personalisieren; sie nehmen selektiv wahr, denken moralisch-absolutistisch, ma­chen sich Selbstvorwürfe und setzen sich selbst herab;
– zirkuläre Feedbackprozesse vertiefen und verfestigen die Depression.

Depression als Reaktion auf sozialen Streß.- McLean erklärt Depressionen als ineffizi­ente Bewältigungsstrategie im Umgang mit belasten­den Lebenssituationen, v.a. sozialen Bela­stungen.

Verhaltenstherapeutische Interventionen.- Entsprechend dieser Annahmen werden fol­gende verhaltenstherapeuti­sche Interventionen bei depressiven Klienten vorgenommen:
– Aufbau angenehmer Aktivitäten, die verstärkt werden,
– Aufbau sozialer Fertigkeiten,
– Abbau sozialer Basisängste,
– Anleitung zur Aufnahme positiver Kontakte,
– Erhöhung der Frequenz positiv verstärkender Aktivitäten,
– Veränderung einseitiger Wahrnehmungen und Bewertungsmuster,
– Korrektur absolutistischer Grundüberzeugungen und automatisch ab­laufenden Gedanken,
– Veränderung der Hilflosigkeitsattribuierungen: statt internale, globale und stabile Kausalattri­buierungen zu wählen, soll external, situa­tionsspezifisch und variabel attribuiert wer­den,
– realistische Ziele setzen lernen,
– Selbstwertgefühl erhöhen,
– Hausaufgaben: Führen von Aktivitäts- und Stimmungsprotokollen,
– Eigenständigkeit und Unabhängigkeit entwickeln,
– den Verlust externaler Verstärker ausgleichen können,
– ein erhöhtes Maß an Selbststeuerung gewinnen durch Selbstbeloh­nungspläne (materiell, ver­bal).

Es ist deutlich zu erkennen, dass diese Interventionsstrategien sympto­morientiert sind, die Beziehungsprobleme eines depressiven Klien­ten nicht grundlegend thematisieren und ihm le­diglich eine andere Um­gangsweise damit nahe legen. Das liegt am pragmatischen Therapiean­satz der Verhaltenstherapie: Durch verändertes Verhalten soll das Erleben mitverändert wer­den.
5.4 Psychoanalyse
Nach Freud wehrt sich der Melancholiker (= Depressive) gegen die Tren­nung vom und den Verlust des Liebesobjektes und introjiziert es unbewusst, d.h. er nimmt es in das eigene Ich auf. So besteht das verlorene Liebesobjekt in ihm fort und wird auch wegen seiner “Untreue” ange­klagt, was als Schuldgefühle und Selbstvorwürfe zum Ausdruck komme.
“Depression ist demnach keinesfalls eine verstärkte Trauer. Sie ist eher eine chronifizierte Kränkungs- bzw. Trotzreaktion. Die Gedanken kreisen um Enttäu­schung, Wut und Trauer. Das Gedankenkreisen ist von den Ge­fühlen abgekoppelt, die sich in gewisser Weise verselbständigen als “Schwere”, “Herzschmerzen”, “Angst”, “Schlafbedürfnis”. Eine innere Leere tritt ein.” (Kipp & Jüngling, 1994, S.91)

Verluste können dabei nicht nur Liebesobjekte betreffen, sondern auch Fähigkeiten, die für den Depressiven eine wichtige Bedeutung haben, “narzißtisch besetzt” sind. Der Verlust bleibt auch aus dem Bewusstsein ausgeklammert, wenn die depressiven Beschwer­den als von außen erzeugt empfunden werden. Der Depressive setzt sich so nicht mit sich selbst, sondern mit seinen Schädigern auseinander.
Ziel der tiefenpsychologischen Therapie ist es daher, dem Klienten seine Verdrängungsme­chanismen und Abhängigkeiten von “Introjekten” (v.a. “böses” und “gutes” Elternobjekt) bewusst zu machen.

5.5 Gestalttherapie
Die Gestalttherapie möchte die von depressiven Menschen unterdrückten Trauerreaktion über Enttäuschungen durch körperbezogene Arbeit pro­vozieren (Idee der Kartharsis = Reinigung von negativen Gefühlen): “Das Spezifische der Gestalttherapie/Integrativen Therapie bei Depressiven zeigt sich anfänglich besonders in dem kriseninterventionsähnlichen Vorgehen, das ein sehr aktiv-stützendes Verhalten des Therapeuten fordert und methodisch stark körperliche, emotionale und imaginäre Aspekte in der therapeutischen Ar­beit vereint.

Speziell die Technik des Fokussierens zur Verdeutlichung von Körperempfindun­gen, aber auch zur schärferen Wahrnehmung von Trauer, Schmerz, Schuld und ähnlichen “Leitthemen” führen von der Initialphase über zur Aktionsphase. In jetzt prägnanterer Form verdichtet sich das therapeutische Geschehen für den Klienten zu manchmal karthartischem Erleben: er bearbeitet in oft dramatischer Art die ihn ehemals belastenden Situatio­nen wie z.B. die familiäre Szene seiner Kindheit, das Familiendrama, die negative Lebensentwicklung mit Partnern und Kindern oder im Beruf und die aktuelle krisenhafte Entwicklung und gibt unter Führung des Therapeuten allmählich seine Verdrängungen und Vermeidungsme­chanismen auf. Das führt manchmal bis zum phantasierten Suizid.” (Bach & Coel­len, 1986, S. 338)

5.6 Systemische Therapie
Der systemische Ansatz geht davon aus, dass die seelischen Probleme eines Menschen im Rahmen seines familiären Herkunftssystems entstanden sind und daher auch mit Bezug auf dieses Beziehungssystem therapiert werden müssen.
“Der familiensystemische Ansatz bei Depressionen untersucht die Interaktionen, Werte und Einstellungen in­nerhalb der Ursprungsfamilie, die zu einem negativen Selbstbild beitragen und zur Entwicklung von Verhal­tensmustern führen, die spätere Beziehungen zum Scheitern bringen. … Seine (des Patienten) Erwartun­gen, An­tizipationen und sein Verhalten in gegenwärtigen Beziehungen replizie­ren Aspekte seiner Ursprungsfamilie, in dem er sich gegenwärtigen Bezugsper­sonen gegenüber genauso verhält wie gegenüber Familienmitgliedern.” (Friedman, 1985, S. 246 f.)
Eine systemische Paar/Familien-Therapie zielt oft auch darauf ab, das ge­samte System und nicht nur den Symptomträger zu verändern. Die Familienmitglieder müssen z.B. erkennen, welche Erwar­tungen sie gegenseitig haben und in welchen gegenseitigen Ver­strickun­gen sie gefangen sind, um darüber ihre relative Autonomie zu vergrößern und mehr Möglichkeiten für ihre persönliche Lebensgestaltung zu erreichen.

 

Ich habe gute Erfahrungen in der Arbeit mit Patienten damit gemacht, dass sie das Trauma ihrer Mutter erkennen konnten und Abschied von dem Wunsch nahmen, ihrer Mutter emotional und körperlich wie ein Kind nahe zu sein. Dies löst bei einem Patienten zwar zunächst heftige seelische Schmerzen aus, führt schließlich jedoch zu einem Ablöseprozess, der in eine gesunde Trauer mündet.
Damit entfällt für den Patienten auch die Fixierung auf den leidvollen Seelenzustand seiner Mutter und das Bedürfnis, dieser helfen zu wollen. Die Stellvertreterin einer Mutter in einer solchen Aufstellung berichtete dann z.B. eine große Erleichterung, von ihrem Kind nicht weiter bedrängt und dadurch in ihre eigenen Traumagefühle gestoßen zu werden. Auf diese Weise kann aus der Distanz eine wohlwollende Beziehung der Mutter zum Kind entstehen.

Wirkliche Schuldige benennen.- Psychotische Depressionen können in der Regel nur aufgelöst werden, wenn der Hintergrund von schweren Schuldgefühlen im Familiensystem Aufklärung findet. Der wahre Schuldige muss gefunden und benannt werden. Dann kann sich der Patient aus dieser Verstrickung lösen und der seelischen Verwirrung durch die eigene Distanzierung und die Auflösung seiner seelischen Verstrickung mit einem Täter entkommen (vgl. dazu Ruppert, 2002, S. 245 ff.).

Literatur:
Ainsworth, M. (1973). The development of infant-mother attachment. In B. M. Caldwell & H. N. Ricciuti (eds.), Review of child development research (vol. 3). Chicago: University of Chicago Press.
Bach, I. & Coellen, M. (1986). Gestalttherapie. In S. Sulz (Hrsg.), Verständnis und Therapie der Depression. (S. 315-340). München: Ernst Reinhardt.
Blöschl. L. (1991). Depressive Störungen: Intervention. In M. Perrez und U. Baumann (Hrsg.), Klinische Psy­chologie (S. 280-290). Bern: Huber.
Bowlby, J. (1973). Attachment and Loss, Vol. II. Separation: Anxiety and Anger. New York: Basic Books.
Bowlby, J. (1980). Attachment and Loss, Vol. III. Loss: Sadness and Depression. New York: Basic Books.
Boszormenyi-Nagy, I. & Spark, G. M. (1993). Unsichtbare Bindungen. Stuttgart: Klett-Cotta.
Breggin, P. (1996). Giftige Psychiatrie. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme.
Brisch, K. H. (1999). Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta.
Brisch, K.H., Grossmann, K.E., Grossmann, K. & Köhler, L. (2002). Bindung und seelische Entwicklungswege. Stuttgart: Klett-Cotta.
Brown, G. W., Harris, R. & Copeland, J. R. (1977). Depression and loss. Brit. J. Psychiat., 1- 18.
de Jong-Meyer, R. & Cloer, E. (1995). Endogene Depression. In H. Reinecker (Hrsg.), Fall­buch der Klinischen Psychologie. (S. 77-94). Göttingen: Hogrefe.
Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M.H. (Hrsg.) (1992). Weltgesund­heitsorganisa­tion – In­ternationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F), Klinisch-diagno­stische Leitlinien. Bern: Huber.
Dross, M. (1991). “Warum bin ich trotz allem gesund geblieben?” In U. Flick (Hrsg.), All­tagswis­sen über Ge­sundheit und Krankheit. Subjektive Theorien und soziale Re­präsentatio­nen. (59-69). Heidelberg: Asanger.
English, F. (1986). Transaktionsanalyse. In S. Sulz (Hrsg.), Verständnis und Therapie der De­pression. (S. 219-244). München: Ernst Reinhardt.
Ernst, A. (1995). Was Frauen krank macht – zur Medikalisierung des Alltags. In C. Sußmann (Hrsg.), Schluc­ken und Schweigen? Frauen und Medikamente (S.7-27). München: o.V. .
Friedman, L., J. (1986). Systemorientierte Familientherapie. In S. Sulz (Hrsg.), Verständnis und Therapie der Depression. (S. 315-340). München: Ernst Reinhardt.
Gove, W. R., Hughes, M. & Briggs, S. C. (1983). Does marriage have positive effects on the psychological well-being of the individual? Journal of Health and Social Behavior, 24, 122-131.
Harlow, H. F. & Zimmermann, R. R. (1958). The development of affectional responses in in­fant monkeys. Proceedings of the American Philosophical Society, 102, 501-509.
Hautzinger, M. (1995). Aktuelle depressive Episode. In H. Reinecker (Hrsg.), Fallbuch der Klinischen Psycho­logie. (S. 65-75). Göttingen: Hogrefe.
Hazleton, L. (1995). Dein Recht, dich schlecht zu fühlen. München: Goldmann Verlag.
Hellinger, B. (1994). Ordnungen der Liebe. Heidelberg: Carl Auer.
Holmes, J. (2002). John Bowlby und die Bindungstheorie. München: Ernst Reinhardt.
Kipp, J. & Jüngling, G. (1994). Verstehender Umgang mit alten Menschen. Frankfurt/M.: Fi­scher.
Muhr, C. (1978). Depression. Tagebuch einer Krankheit. Frankfurt/M. : Fischer.
Reiners, H. (2002). Das heimatlose Ich. Aus der Depression zurück ins Leben. München: Kösel.
Renne, K. S. (1971). Health and the marital experience in an urban population. Journal of Marriage and the Fa­mily, 33, 338-350.
Richter, H. E. (1991). Eltern, Kind, Neurose. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt.
Riemann, F. (1985). Grundformen der Angst.
Ruppert, F. (2002). Verwirrte Seelen. Der verborgene Sinn von Psychosen. Grundzüge einer systemischen Psychotraumatologie. München: Kösel.
Saß, H., Wittchen, H.-U& Zaudig, M. (1998). Diagnostisches und Stati­stisches Manual Psychi­scher Störungen DSM IV. Göttingen: Hogrefe.
Slipp, S. (1986). Psychoanalyse. In S. Sulz (Hrsg.), Verständnis und Therapie der Depression. (S. 275-295). München: Ernst Reinhardt.
Spiegel, R. (1991). Psychopharmakotherapie. In M. Perrez und U. Baumann (Hrsg.), Klini­sche Psychologie, Bd. 2: Intervention (S. 161-174). Bern: Huber.
Spitz, R. & Wolf, K. (1946). Anaclitic depression. Psychoanalytic study of children, 3, 313-342.
Sulz, S. (Hrsg.) (1986). Verständnis und Therapie der Depression. München: Ernst Reinhardt Verlag.
Wahl, R. (1994). Kurzpsychotherapie bei Depressionen. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Weber, G. (Hrsg.) (1995). Zweierlei Glück. Die systemische Psychotherapie Bert Hellingers. Heidelberg: Carl Auer.
Wieck, W. (1992). Männer lassen lieben. Die Sucht nach der Frau. Frankfurt/M.: Fischer.

Ruppert, F. (2003). Depressionen – Symptome, Ursachen und Verläufe aus Sicht einer systemischen Psychotraumatologie. München: Katholische Stiftungsfachhochschule München.